Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln
Flucht aus dem Gefängnis interessiert. Von den Überfällen auf die Geldtransporter schien er nichts zu wissen.
Vasa schrubbte wütend seine tintenschwarzen Fingerkuppen mit Spülmittel. Der Grund für seine Wut war nicht der Besuch des Polizisten, sondern Slobo. Dieser eifersüchtige Trottel.
Slobo war bereits Ende der 90er Jahre nach Schweden gekommen, mit seiner Mutter, die in Pristina als Musiklehrerin gearbeitet hatte. Der Vater war unter dubiosen Umständen verschwunden. Es wurde sogar behauptet, serbische paramilitärische Truppen hätten ihn verschleppt, weil er, der Akademiker, Milosevic kritisiert hatte. Die Mutter war vor drei Jahren in Stockholm von einem Auto überfahren worden, und das war für Slobo ein schwerer Schlag gewesen. Erst als er Jasmin kennen gelernt hatte, war er wieder auf die Beine gekommen.
Je mehr Vasa über alles nachdachte, umso mehr Klarheit gewann er. Er musste Torna und die anderen dazu bringen, Eskilstuna zu vergessen und sich stattdessen für Helsinki zu begeistern.
Die Begeisterung war sogar schon am Keimen, denn alle hatten begriffen, dass ein erfolgreicher Schlag in Helsinki ein Blankoscheck war - die Aussicht auf grenzenlosen Reichtum. Aber das hieß noch nicht, dass die Männer bereit waren, auf Eskilstuna zu verzichten. Dieses Ding war vorläufig noch konkreter, reeller. Aber das konnte sich ändern.
Vasa trocknete sich die Hände mit Haushaltspapier. Was wäre die beste Art, das Eskilstuna-Ding zu torpedieren? Es musste verhindert werden, und Helsinki musste an seiner Stelle die Chance des Lebens bieten, die man einfach beim Schöpfe ergreifen musste.
Vasa ging ins Wohnzimmer und ließ sich auf die Couch fallen. Slobos Verhalten war Besorgnis erregend. Sollte er dem Hitzkopf erklären, dass er von Jasmin nichts weiter wollte als Informationen über Finnland? Allerdings: Stimmte das überhaupt?
Vasa hatte die Finger von Frauen gelassen, seitdem seine Ehe mit der Schwedin Mona nach zwei Jahren auf Grund gelaufen war. Es hatte sich herausgestellt, dass Mona sich nicht zu einer Frau umerziehen ließ, die akzeptierte, was er trieb.
Vasa wunderte sich sehr, wieso die sonst so clevere Jasmin nicht kapierte, mit was für einem Idioten sie es im Fall von Slobo zu tun hatte. Bei den Überfällen beherrschte der Mann seinen Job, aber im Zivilleben war er mitsamt seiner musikalischen Schaumschlägerei einfach nur ein nerviger Trottel.
Vasas Telefon klingelte. Mila war am Apparat, sie klang unsicher und gedämpft. Vasa begriff sofort, was los war.
»War die Polizei bei dir?«, fragte er.
»Ja.«
Stille.
»Was hast du ihnen gesagt?«
»Ich habe ihnen gesagt, wie es ist. Dass ich nicht weiß, was du treibst, und es auch nicht wissen will.«
»Haben sie dich gefragt, ob wir uns getroffen haben?«
»Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?« Milas Stimme wurde aggressiv.
»Doch, habe ich. Beruhige dich jetzt. Morgen werde ich Vater in Finnland besuchen.«
» Was hat das mit mir zu tun ?«
»Er wird mir genaue Anweisungen für das Begräbnis geben. Das alles bedrückt mich. Ich habe schon in Belgrad und bei JAT Airways angerufen und mich wegen des Transports von Särgen erkundigt. Wir könnten einen gemeinsamen Flug buchen, du und ich ...«
»Wenn es eine Beerdigung wird wie die von Darko, bleibe ich lieber zu Hause. Wenn Waffen einen Menschen getötet haben, muss man dann auch bei der Beerdigung noch damit herumballern?«
»Ich muss mich nach den Wünschen unseres Vaters richten, das verstehst du doch?«
»Nein, das verstehe ich überhaupt nicht. Ist er denn ein Gott für dich? Du hast doch selbst das Den Haager Urteil gelesen ...« »Es reicht, Mila. Deine Haltung ist deutlich geworden. Wir kommen auf das Thema zurück, wenn du fähig bist, ohne überzogene Emotionen zu reden.«
Vasa beendete das Gespräch, bevor er selbst aufbrauste. Er durfte jetzt nicht wütend auf Mila werden, nicht gerade jetzt.
18
»Einerseits wirkt Mila Jankovic stark, andererseits hat sie zugleich etwas Bemitleidenswertes an sich«, sagte Johanna. Sie saß in einer Ecke des Hotelzimmers im Sessel und ließ die Beine lässig über die Armlehne baumeln. Timo flog am nächsten Morgen nach Brüssel zurück, weshalb sie ein Treffen in seinem Hotelzimmer vereinbart hatten, um sich gegenseitig auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen.
Timo öffnete die Minibar und bot Johanna eine Flasche Mineralwasser an. Sie schüttelte den Kopf.
»Etwas Stärkeres?«, fragte Timo und grinste
Weitere Kostenlose Bücher