Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln
bewaffnete Sicherheitsleute mitfliegen, und am Boden wird eine Elitetruppe der SSG aufpassen. Aus diesem Grund möchte ich euch eine Zusammenarbeit vorschlagen.«
Die SSG - Stockholm's Security Group - gehörte zur Creme de la Creme der Unternehmen, die Dienstleistungen im Bereich Sicherheit anboten: hohe Qualität und hohe Preise. Bislang war die Firma von Überfällen verschont geblieben, im Gegensatz zu ihren größten Konkurrenten Securitas und Falck.
Marek erläuterte genauer seinen auf Erpressung basierenden Plan, der unter allen anderen Umständen auch in Vasas Ohren ziemlich interessant geklungen hätte.
»Das klappt nicht«, sagte Vasa jetzt aber dennoch, in der Hoffnung, die anderen würden sich ihm anschließen. »Sobald die Fracht in der Nullzone von Arlanda eingetroffen ist, bekommen wir sie nicht mehr sicher heraus. Die Millionen werden uns keine Freude machen, wenn wir geschnappt werden, bevor wir sie in den Händen haben.«
»Die zig Millionen«, korrigierte Marek.
»Von mir aus können es Hunderte sein. Man darf sie trotzdem nicht hinter Gitter mitnehmen.«
»Solche Summen nutzbar zu machen ist unmöglich«, mischte sich Torna ein und fuhr mit der Hand kurz über sein Hörgerät. Niemand wusste, wo er sein Gehör beschädigt hatte, Gerüchten zufolge war er in Bosnien gefoltert worden. »Man kann eine Milliarde erpressen, aber die Frage ist, wie man das Geld konkret in die Hände bekommt, ohne dass es früher oder später aufgespürt wird.«
»Ich habe ein sicheres System dafür. Es beruht auf Diamanten.« »Da hat Marek ja mal wieder eine ganz spezielle Idee«, sagte Stanko gelangweilt. »Glaub es einfach. Wir haben keine Chance, die Fracht aus dem Flughafen Arlanda rauszukriegen. Nach den Überfällen in Örebro und Linköping haben sie die Sicherheitsvorkehrungen dermaßen verschärft, dass ich lieber Goldbarren aus Fort Knox holen würde.«
Vasa hörte zufrieden zu. Wenn Mareks Idee unterging, käme die Operation 6/12 umso verlockender wieder an die Oberfläche.
22
Schneidender Nachtfrost hatte die Pfützen vor dem Gebäude der KRP gefrieren lassen. Johanna blickte kurz auf die Sonne am klaren, blauen Himmel, bevor sie die Jalousie vor dem Fenster herunterließ. Gestresst setzte sie sich an den Schreibtisch. Die Ermittlungen in der Geiselnahme von Riihimäki traten auf der Stelle. Radovan Jankovics Komplize war nach wie vor auf freiem Fuß und würde es, so, wie es aussah, auch weiterhin bleiben. Ein Durchbruch war nicht in Sicht. Vasa Jankovic war der Hauptverdächtige, aber die Indizienlage so schwach, dass es nicht einmal gelungen war, die schwedische Polizei richtig in die Ermittlungen einzubeziehen.
Johanna starrte zum x-ten Mal auf das DIN-A4-Blatt mit den Einkommens- und Vermögensverhältnissen von Vasa Jankovic, das sie vom Finanzamt erhalten hatte. Im Vorjahr hatte er 102 000 Kronen verdient, was gut 10000 Euro entsprach. Die Summe war durchaus glaubwürdig, stand aber doch ein wenig im Widerspruch zu einer Information der Zulassungsstelle: Vasa fuhr einen Landrover. Zwar Baujahr '98, aber immerhin. Trotzdem hatte sich der Fiskus nicht in Vasas Angelegenheiten eingemischt.
Johanna trug das Kennzeichen des Fahrzeugs in die Liste ein, in der sie mit Hedu und den anderen Mitarbeitern das Material zu Vasa gesammelt hatte. Einen Teil davon hatte sie bereits in die zentrale Datenbank eingegeben, mit deren Hilfe sie etwas über eventuelle Aktivitäten Vasas in Finnland zu erfahren hofften.
Der Wind wirbelte trockenes Laub unter den grauen, träge dahinziehenden Wolken auf. In gemächlichem Takt bewegte sich die Prozession schweigender Menschen auf die tiefe Grube zu, neben der hoch aufgeschüttet die Erde lag.
Der Trauerzug wurde von Soldaten mit ausdruckslosen Mienen erwartet, die mit ihren Gewehren in einer exakt ausgerichteten Reihe standen. An der Spitze des Zuges schwenkte ein orthodoxer Priester in schwarzem Gewand ein Weihrauchfass. Hinter ihm schritt ein weiterer Geistlicher, der ein Kreuz trug, und hinter diesem ein dritter mit einer Ikone in den Händen. Neben dem Grab setzten die Männer, die auf die Priester folgten, den Sarg vorsichtig auf einem Podest ab.
Erst als er sich umdrehte, begriff Vasa, wie viele Menschen sich dem Trauerzug auf dem Weg durch die Ortschaft angeschlossen hatten. Es sah aus, als wollte das ganze Dorf Abschied von Radovan nehmen. Vasa war gerührt. Er hatte nicht damit gerechnet, dass so viele seinem Bruder die letzte Ehre erweisen
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