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Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Titel: Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geiseln
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überzeugen, dass sie es ernst meinten. Andernfalls müssten sie sich dauernd Erklärungen der Polizei über Verzögerungen anhören, was ihr genügend Zeit geben würde, sich eine Taktik zurechtzulegen. Mitten im Gedränge, dreißig Meter von Torna entfernt, stand ein athletisch wirkender Mann im schwarzen Anzug, von dessen Ohr ein hautfarbenes Kabel ausging und im Kragen verschwand. Oberinspektor Jani Sjöholm arbeitete in der Personenschutz-gruppe 3 des Präsidenten, und er blickte jetzt verstohlen auf den neben ihm stehenden Boss, wie die Sicherheitsleute den finnischen Präsidenten Matti Koskivuo nannten. Zumindest äußerlich hatte es den Anschein, als behielte der Präsident seine Nerven unter Kontrolle. Er trug einen Frack und diverse Orden, aber eigenen Aussagen zufolge gefiel es ihm am besten, wenn nur das kleine Abzeichen der Friedensbewegung sein Revers zierte.
    Die Gelassenheit des Präsidenten beruhigte Sjöholm, denn das machte ihm die Arbeit ein klein wenig leichter. Als die erste MP-Salve den Kronleuchter im Staatssaal hatte zersplittern lassen, war Sjöholm nur wenige Sekunden verdutzt gewesen. Dann hatte er rasch die Lage abgeschätzt und über Funk Kontakt zum Chef seiner Gruppe aufgenommen, der sich im Hauptquartier der Sicherheitseinheit in der Kanzlei des Präsidenten aufhielt. Sjöholm hatte seine Ausbildung in den USA erhalten, an dem Ort, wo auch die Sicherheitsleute des USGeheimdienstes ausgebildet wurden, er hatte gelernt, schnell und analytisch zu handeln. Und er war von Berufs wegen bereit, alles zu tun, um das Leben des Bosses zu schützen, auch wenn er den Mann persönlich nicht sonderlich mochte.
    Sjöholm hatte den Präsidenten und dessen Frau in die Mitte der Menschenmenge gesteuert, nachdem er gemerkt hatte, dass es nicht mehr möglich war, nach draußen zu kommen. Die Ausgänge wurden bewacht, außerdem waren Sprengladungen installiert worden. Wegen des Lärms hatte Sjöholm Schwierigkeiten, die Stimme seines Kollegen im Ohrhörer zu verstehen, darum bat er ihn per Ärmelmikrofon, seine Mitteilung zu wiederholen.
    »Es gibt einen geheimen Weg nach draußen«, sagte der Gruppenleiter noch einmal. »Versucht in den Bereich zwischen Spiegelsaal und Staatssaal zu kommen, dort gibt es zwei gegenüberliegende Türen. Durch die vom Spiegelsaal aus betrachtet linke Tür kommt ihr in einen Abstellraum, an dessen hinterer Wand einige Kisten gestapelt sind. Dahinter befindet sich eine Tür, durch die ihr in einen engen Gang gelangt, der in das Gebäude des Obersten Gerichtshofs führt. Wir sorgen so schnell wie möglich dafür, dass dort die Bahn frei ist.«
    »Okay«, bestätigte Sjöholm und wandte sich an den Präsidenten und dessen Frau. »Folgen Sie mir!«, forderte er die beiden auf.
    »Was haben Sie vor?«, fragte der erste Adjutant.
    »Kennen Sie den Weg zum OGH?«
    »Ich habe davon gehört, aber ich kenne keine Einzelheiten. Ich bleibe hier und halte euch den Rücken frei.«
    Im Schutz des allgemeinen Durcheinanders ging Sjöholm mit dem Präsidentenpaar im Schlepptau in den hinteren Teil des Staatssaals. Er trug eine Pistole im Schulterhalfter, aber sie in dieser Situation zu benutzen, würde nur Schaden anrichten. Bei der Skulptur, die das Gesetz symbolisierte, bedrohte einer der Geiselnehmer einen Gast mit der Maschinenpistole. Ein anderer kam gerade aus dem Speisesaal. Die anderen Eindringlinge waren nicht zu sehen. Sjöholm blickte zur Galerie hinauf, sie war leer.
    »Nein, tun Sie so, als sähen Sie uns nicht«, sagte Sjöholm zu den Gästen, die versuchten, Platz für den Präsidenten zu machen.
    Sie kamen nur quälend langsam voran, aber weiter am Rand war das Gedränge weniger stark. Noch zehn Meter, dachte Sjöholm und rückte möglichst unauffällig in Richtung Tür vor. Fünf, vier, drei, zwei, der Durchgang zum Spiegelsaal war jeden Moment erreicht.
    »Was habt ihr vor?«, hörte Sjöholm eine schrille Frauenstimme hinter sich fragen.
    Premierministerin Sinikka Noronen stieß andere Leute zur Seite und schob sich in Sjöholms Nähe. Auch ihr müsste man helfen, ins Freie zu kommen, dachte Sjöholm, aber was, wenn sie mit ihrem hysterischen Verhalten dabei die Sicherheit des Präsidenten gefährdete?
    »Matti, hast du gehört? Wo wollt ihr hin?«, wiederholte die Premierministerin noch lauter als zuvor.
    Sjöholm sah sie an, schüttelte den Kopf und legte den Zeigefinger auf die Lippen, um die Frau zum Schweigen zu bringen, aber es war zu spät. »He, dahinten«, rief

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