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Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Titel: Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geiseln
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dem es hieß, die Polizei wolle zur Sicherung des Empfangs des Präsidenten zum Unabhängigkeitstag »ausreichend« Kräfte gegen eventuelle Demonstrationen von militanten Angehörigen der Präkariats- und Aktivistenbewegung bereitstellen.
    Techniker hielt seine überanstrengten Augen geschlossen und konzentrierte sich auf den Funkverkehr der Polizei, den er per Kopfhörer verfolgte. Zwar vermieden es die Polizisten, bei ungesicherten Verbindungen über ihre operativen Pläne zu sprechen, aber allmählich bekam Techniker eine Ahnung von ihren Absichten.
    Er öffnete die Augen und schaute auf den Monitor mit dem Bild der Wärmekamera. Sollte sich seine Ahnung bestätigen, würde dort bald etwas zu sehen sein.
42
    Johanna spürte, dass etwas geschehen würde.
    Das Video mit den Grausamkeiten der Nato war zu Ende. Die Serben redeten miteinander und wirkten immer unruhiger. Schließlich nahm Vasa zornig und entschlossen das Telefon zur Hand.
    Johanna bemerkte, dass sich der Innenminister mit dem Polizeidirektor austauschte. Sie hoffte, die beiden würden keine Dummheiten aushecken. Aber schon im selben Moment begriff sie, wie lächerlich allein der Gedanke war. Ein Politiker und ein Schreibtischpolizist kämen kaum auf die Idee, Pläne für Heldentaten zu schmieden.
    Um näher an Vasa heranzukommen, pirschte sich Johanna am BuffetTisch vorbei.
    »Ich sage Ihnen jetzt, was ihr als Nächstes zu tun habt«, hörte sie Vasa ins Telefon sagen. »Als Erstes bringt ihr drei startbereite Busse auf die Nördliche Esplanade, direkt vor den Haupteingang...«
    Johanna merkte, wie sich Vasas Blick zu ihr verirrte. Sogleich griff sie nach einer Karaffe und goss sich Wasser in ein Glas.
    Vasas Stimme war weiterhin zu hören: »Und zweitens sorgt ihr dafür, dass ein großer Airbus von Finnair auf dem Flughafen Helsinki-Vantaa bereitgestellt wird. Ihr habt dafür zwei Stunden. Die Zeit läuft ab jetzt.« Vasa beendete das Gespräch, und für einen Moment befürchtete Johanna, er käme direkt zu ihr. Aber es war der Präsident, auf den er zuging.
    Was er gesagt hatte, elektrisierte Johanna. Die Serben wollten also weg. Aber wohin? Wohin glaubten sie per Flugzeug kommen zu können? Mit einer solchen Menge Geiseln?
    Johanna hatte ein Flugzeug zwar für eine mögliche Variante gehalten, allerdings für eine unwahrscheinliche. Möglichst unauffällig versuchte sie Vasa zu beobachten, der sich nun vor dem Präsidenten aufbaute. »Kommen Sie auch hierher!«, befahl er der Premierministerin. »Sie können dem Schicksal danken, dass wir hier sind. Ich kenne Serben, die an unserer Stelle schon längst einige von euch eliminiert hätten. Und wenn an unserer Stelle Männer aus dem Nahen Osten oder von einem anderen Krisenherd der Welt, an dem ihr euch aufplustert, hier wären, dann müsstet ihr jetzt auf Knien um Gnade flehen.«
    Präsident Koskivuo entgegnete nichts. Seine Frau stand feuerrot etwas weiter weg.
    »Wissen Sie, wer die Personen auf dem Video waren?«, fragte Vasa. Präsident und Premierministerin schwiegen. Johanna biss sich auf die Lippen. In Vasas Auftreten lag nun eine Bedrohlichkeit von neuer Qualität.
    »Ich habe Sie erkannt. Offensichtlich war das Ihre Familie«, sagte die Premierministerin schließlich.
    »Das war meine Familie. Mein Vater, meine Mutter, mein Bruder, meine Schwester. Wir lebten glücklich im Kosovo. Wissen Sie, was dann passierte? Dann kam die humanitäre Intervention der Nato. Luftangriffe. Die Kosovokrise. Tausende Bombenangriffe wurden geflogen, aber es wurde nicht von Krieg gesprochen. Mit Waffengewalt wurde das Gebiet eines anderen Staates angegriffen, mit der Absicht, ihn zu zwingen, bestimmten politisch festgelegten Bedingungen zuzustimmen. Was soll das anderes sein als Krieg?«
    Und warum erwähnst du mit keinem Wort die Massenmorde und Blutbäder, die von den Serben angerichtet worden sind?, dachte Johanna und hörte dabei, wie Vasas Stimme fast zum Schreien anschwoll.
    »Die Nato wollte nicht zugeben, sich im Krieg zu befinden, denn ihr Vorgehen wäre nach dem Völkerrecht zu verurteilen gewesen. Für ein solches Vorgehen waren die Nazi-Führer bei den Nürnberger Prozessen verurteilt worden. Darum musstet ihr die Kriegshandlungen herunterspielen und zu Euphemismen greifen. Ihr habt euch nicht getraut, zuzugeben, dass ihr euch im Krieg befindet. Luftangriffe auf das Gebiet eines anderen Staates sind den UN-Bestimmungen nach Offensivmaßnahmen. Die neunzehn reichsten Staaten der Welt, 750 Millionen

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