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Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Titel: Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geiseln
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Grenzwächter der westlichen Zivilisation. Unserem Kampf gegen die Türkei wurde einst Sympathie entgegengebracht, sogar von Finnland aus, ihr habt damals die Nationalgarde geschickt, um Seite an Seite mit uns zu kämpfen. Aber im Kosovokrieg habt ihr uns den Rücken gekehrt und seid bei der Nato aufgesprungen.«
    Dies hatte Vasa in den Saal hineingesprochen, aber jetzt wandte er sich unvermittelt wieder dem Präsidenten zu. »Ihr seid schuld am Tod meiner Mutter«, brüllte er mit vor Hass verzerrtem Gesicht. »Ihr seid schuld am Tod meines Bruders. Ihr seid schuld an der Erniedrigung meines Vaters. Ihr seid schuld daran, dass meine Schwester nicht einmal zur Beerdigung meines Bruders kommen wollte. Ihr habt es euch selbst zuzuschreiben, dass wir jetzt hier sind. Ihr habt in der Welt um Anerkennung gebettelt, ihr habt euch wie blauäugige Idioten nach der Rolle des skandinavischen Friedensboten gestreckt, ohne fähig zu sein, die Verantwortung dafür zu tragen oder wenigstens die Folgen eurer Pfuscherei zu begreifen! Ihr habt euch ausgerechnet, dass die Risiken sich höchstens in Form von ein paar finnischen Soldaten im Zinksarg niederschlagen würden, aber sie schlagen sich hier und jetzt nieder!« Zum Abschluss feuerte Vasa mehrere Schüsse in die Wände und die Decke des Saals.
    Unter den ohrenbetäubenden Lärm mischte sich die hysterische Stimme einer Frau: »Hättet ihr euch aus den Machenschaften der Nato rausgehalten, wäre das alles hier nicht passiert!«
    Der Ehemann der Frau, in dem Johanna den Justizminister erkannte, versuchte seine Gattin zu beruhigen, aber die schrie mit Tränen in der Stimme weiter: »Das ist alles eure Schuld, ihr angeblich so pazifistischen Kriegstreiber...«
    In dem Moment, in dem die Frau an der Brust ihres Mannes leise weinend verstummte, fiel vor Johanna etwas auf das weiße Tischtuch des Büffets: eine kleine Schraube von etwa fünf Millimetern Durchmesser. Sie blickte nach oben und begriff, dass sie von dem Gitter vor einem Belüftungskanal stammen musste.
    Ungewollt fuhr Johanna zusammen. Sohlman hatte Leute vom SK Bär ins Gebäude geschickt, und die waren nun wegen der Schüsse alarmiert! Wenn die Serben das merkten, stünde ein Blutbad bevor.
    Johanna überlegte einen Augenblick, dann rief sie auf Finnisch: »Eine Schraube ist runtergefallen, zieht euch zurück! Sohlman soll die Finger weglassen, sonst gibt es Tote!«
    Sohlman und die Polizeiführung hörten Vahteras Ruf aus dem Lautsprecher, es war von Rauschen durchsetzt, aber deutlich genug zu verstehen.
    »Zieht euch zurück«, sagte Sohlman. »Schnell!«
    Alle Blicke waren auf den großen, flachen Monitor geheftet, auf dem man das mit dem Fisheye-Objektiv aufgenommene, kugelförmig verzerrte Bild aus dem Spiegelsaal sah. Die Kamera von wenigen Millimetern Durchmesser hing am Ende einer polymeren optischen Faser und war in den Spalt eines Belüftungsgitters geschoben worden.
    Das Bild zitterte ein wenig, als ein Polizist des SK Bär, der sich in dem Belüftungskanal zurückzog, gegen das Faserkabel stieß.
    Der Stellvertreter des Polizeidirektors saß mit angespannten Gesichtsmuskeln auf seinem Stuhl. Er schwieg, sah aber aus, als hätte er einen Gedanken am liebsten laut ausgesprochen: Was habe ich euch gesagt! Sohlmans Leute hatten die Kamera und ein Mikrofon in den Belüftungsschächten des Spiegelsaals installiert, und da dies reibungslos funktioniert hatte, war beschlossen worden, die Männer für alle Fälle dort in Bereitschaft zu halten.
    Johannas Warnruf hatte sich mit dem Stimmengewirr nach den Schüssen vermischt, dennoch kam einer der maskierten Serben auf sie zu. War es möglich, dass doch einer von ihnen Finnisch verstand? Oder sogar Finne war?
    Für einen Augenblick war Johanna vor Angst wie gelähmt. Dann trat sie dem Serben entschlossen entgegen und rief auf Englisch: »Warum greift ihr nicht die Amerikaner an? Oder die Briten oder die Deutschen oder die Franzosen? Dort findet ihr die Hauptschuldigen am Kosovokrieg, nicht hier...«
    Johanna hoffte, den Mann täuschen zu können, falls er ihr finnischsprachiges Rufen gehört hatte.
    Der Geiselnehmer blieb unmittelbar vor ihr stehen und drückte ihr die Maschinenpistole quer auf die Brust.
    »Was bringt dich auf die Idee, dass wir politische Motive haben?«, fragte der Serbe.
    Johanna war erleichtert, offenbar hatte der Mann nichts verstanden. »Aber die Bilder auf dem Video, was haben die denn sonst zu bedeuten?« »Vielleicht hat einer von uns etwas

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