Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
Kopf schössen zu viele Gedanken hin und her, und sie im Zaum zu halten kostete ihn alle Energie.
Er hörte ein Geräusch. War das schon die Zeitung, die durch den Briefschlitz in die Diele fiel?
Nein. Sirje kam aus dem Schlafzimmer. Schnell klickte Kimmo zurück auf die Startseite der Reederei Tallink-Silja. Von dort klickte er noch weiter zurück, bis er wieder bei der Zeitungsmeldung aus dem Archiv von Heisingin Sanomat war, die er zuvor gelesen hatte:
HS-Wirtschaft-23.11. 2007
Saab-Manager in Schmiergeldskandal erneut verhört Stockholm. Mehrere Manager des Flugzeugherstellers Saab werden wegen geleisteter Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit dem Verkauf von JASGripen-Kampfflugzeugen nach Ungarn und Tschechien erneut zum Verhör geladen, berichtet die Zeitung Degens Nyheter in ihrer Donnerstagsausgabe ... »Wühlst du immer noch in diesen Dingen herum?«, fragte Sirje. »Und was war das für ein Anruf? Wer ruft mitten in der Nacht an?«
»Falsch verbunden. Ein Betrunkener.«
»Ich verstehe nicht, warum du überhaupt nachts das Handy eingeschaltet lässt. Komm endlich ins Bett.«
Sirje machte wieder kehrt.
Kimmo rüttelte zornig am Drucker, um den letzten Rest Tinte zu aktivieren. Die Müdigkeit wirkte sich auf seine Motorik aus, um ein Haar hätte er das Gerät auf den Boden geworfen. Auf dem Tisch lag bereits ein Stoß Material, das er auf Toomas' Bitte hin ausgedruckt hatte.
Kimmo startete den Druckvorgang und ließ sich auf die Couch fallen, um dort in den bereits gedruckten Unterlagen zu lesen. Ganz oben lag ein Artikel aus dem Wirtschaftsmagazin Talouselämä:
Ermittlungen im Bestechungsfall Gripen ausgeweitet Ein tschechischer Waffenhändler wird verdächtigt, als Mittelsmann bei Schmiergeldzahlungen fungiert zu haben, als Gripen International, die der britischen BAE Systems und der schwedischen Saab gehört, Kampfflugzeuge an die Tschechische Republik verkaufte.
Das britische Amt für Betrugsbekämpfung hat BAE, die größte mit Waffen handelnde Firma Europas, im Verdacht, über eine auf den Britischen Jungferninseln registrierte Tochterfirma fast eine Milliarde Pfund Schmiergelder in mehrere Länder, unter anderem in die Tschechische Republik, geleitet zu haben.
Ähnliche Vorwürfe untersucht das Amt für Betrugsbekämpfung im Zusammenhang mit Waffenankäufen durch Rumänien, Südafrika, Tansania, Katar und Chile. Dahingegen wird dem Verdacht, BAE habe aus schwarzen Kassen Prostituierte für Entscheidungsträger aus Saudi-Arabien bezahlt, nicht weiter nachgegangen. Ministerpräsident Tony Blair wurde stark kritisiert, nachdem die Ermittlungen unter Berufung auf nationale und internationale Sicherheitsinteressen eingestellt wurden. Nationale und internationale Sicherheitsinteressen ... Kimmo legte das Blatt aus der Hand. Konnte es sein, dass Toomas recht hatte? Ging es um Dinge von solchem Ausmaß? Hatte Julia deswegen sterben müssen?
Kimmo blieb auf der Couch sitzen. Er wollte abwarten, bis Sirje wieder eingeschlafen war. Erst dann würde er die Vorbereitungen für den Morgen treffen.
Toomas lag unruhig in seinem Bett und blickte auf die Uhr. 10:13. Das Schiff musste bereits im Hafen sein, aber weder Tero noch Roni meldete sich am Handy. War etwas schiefgegangen ?
Toomas war sich sicher, dass es bei der ganzen Geschichte um JAS Gripen ging. Er hoffte, dass die Aufklärung des Wirrwarrs rund um das Kampfflugzeug auch Licht auf den Fall Estonia
und das Schicksal seines Vaters werfen würde, auch wenn das eher unwahrscheinlich war ... Doch selbst wenn er am Ende keine endgültige Klarheit über den Verbleib seines Vaters erhalten würde, so wollte er nichts unversucht lassen. Es gab nichts mehr, was er sonst tun konnte. Er seufzte ungeduldig und schaute aus dem Fenster. Draußen war ein nebliger Morgen angebrochen. Toomas hätte alles dafür gegeben, das Krankenhaus zu verlassen und selbst zum Hafen zu fahren.
»... wegen eines Unfalls an der Kreuzung Hakamäentie. Hier ist vorläufig nur eine Spur befahrbar. Und nun James Blunt mit dem Stück >Same Mistake< ...«
Die gedämpfte Stimme aus dem Radio vermischte sich mit dem Verkehrslärm von draußen. Kimmo saß am Steuer seines Fords, den er in der Ehrenströmintie geparkt hatte, und verfolgte genau jedes Auto, das aus dem Tunnel des Olympia-Fähr-Terminals herausfuhr. Wegen des Schlafmangels hatte er Kopfschmerzen. Mit dem Fernglas las er sämtliche Nummernschilder, obwohl er wusste, dass er auf einen weißen Mercedes Vito wartete.
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