Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
kam natürlich von unserem Haus. Ich machte die Tür auf ... Da stand mein Vater mit einem Küchenmesser in der Hand inmitten einer Gruppe von Männern und drohte damit, denjenigen umzubringen, der den letzten Schluck aus der Flasche genommen hatte. Ich stürzte mich auf ihn und konnte im letzten Moment eine Bluttat verhindern. Mein Vater ließ das Messer fallen, aber ich schlug ihm ins Gesicht. Und noch einmal ... Ich konnte nicht aufhören damit. Die ganze Verbitterung, die sich über die Jahre hinweg angestaut hatte, kam aus mir heraus. Der Kopf meines Vaters prallte auf den Boden, aber wundersamerweise passierte ihm nicht viel. Im Gegensatz zu mir. Ich begriff in diesem Augenblick, dass ich mich nicht mehr unter Kontrolle hatte. Das war eine schreckliche Erkenntnis. Zwei von den Kerlen bedrohten mich. Da warf ich die ganze Bande ziemlich unsanft aus der Wohnung. Noch am selben Tag zog ich zu meinem Onkel. Ich wusste, dass uns mein Vater mit seiner Sauferei ins Verderben stürzen würde. So oder so. Danach habe ich meinen Vater nur noch wenige Male gesehen ... Im Winter darauf brach er betrunken im Schnee zusammen, schlief ein und erfror.«
Wieder kehrte Stille in der Zelle ein. Roni schien nicht zu wissen, was er sagen sollte.
»Wie du weißt, war ich früher einige Jahre lang als Polizist tätig. Und studierte nebenher Jura. Das ist wahr.« Tero rutschte unruhig hin und her. »Dann fand ich mehr Gefallen daran, mich als Unternehmer zu betätigen, und gründete eine Wachfirma. Das ist die offizielle Erklärung. Aber das ist nicht wahr, sondern eine Lüge.«
Roni sah ihn ernst und höchst aufmerksam an.
»Als Polizist war ich ein harter Bursche. Ich wurde in die OK Sonderkommission gewählt, weil ich für verdeckte Ermittlungen glaubwürdig genug war. Und ein neues Gesicht. Viele erfahrene Kollegen waren als verdeckte Ermittler bereits verbrannt. Weißt du, was OK-Sonderkommission bedeutet?«
»Ist das eine Soko, die auf organisierte Kriminalität spezialisiert ist?« »Auf schwerstes organisiertes Verbrechen. Und sie fährt dagegen harte Geschütze auf. Tarnkäufe von Drogen, V-Leute und so etwas. Vor einigen Jahren ist das Polizeigesetz dementsprechend modifiziert worden; es erlaubt und regelt jetzt solche Maßnahmen. Aber zu meiner Zeit bewegte man sich noch in der Grauzone.«
Tero bemerkte, wie er die Stimme senkte, aber das Reden fiel ihm überraschend leicht. Viel leichter, als er geglaubt hatte.
»Ich habe mich in eine Motorradbande einschleusen lassen, in der es Leute gab, die Heroin aus Holland schmuggelten. Die Verantwortlichen im Hintergrund waren knallharte Typen, die Drecksarbeit machten Kriecher und arme Hunde. Zwei Männer waren bereit, mir Tipps zu geben, aber es war schwer, bis zum inneren Kreis vorzudringen. Auf Anweisung des Ermittlungsleiters initiierten wir darum einen Scheinkauf. Das war damals verboten, die Polizei durfte sich nicht vorsätzlich einer kriminellen Handlung schuldig machen, auch dann nicht, wenn damit ein schweres Delikt aufgeklärt werden konnte. Aber wir bekamen so ein Ende der Schnur zu fassen und konnten das ganze Knäuel aufrollen. Als eines Abends im Herbst eine große Ladung Stoff mit der Fähre aus Deutschland kommen sollte, war ich bereits auf Tuchfühlung mit den Bossen. Wir bereiteten uns auf die Festnahme vor, auf einen großen Einsatz. Sie trafen sich dreißig Kilometer nördlich von Helsinki, im Lager einer ehemaligen Farbenfabrik in Kerava.« Tero räusperte sich und sprach dann leise weiter: »Es kam zu einer Katastrophe. Ich wurde unmittelbar vor dem Zugriff enttarnt. Der Kumpel eines Bandenmitglieds erkannte mich. Ich hatte ihm ein halbes Jahr zuvor ein Bußgeld verpasst, und daran konnte sich der Mistkerl erinnern ... Nun hatte ich nur die Wahl zwischen einer schlechten und einer noch schlechteren Alternative. Weil ich nervös wurde, riskierte ich zu viel. Es ging um Minuten. Ich versuchte, beide Männer in Schach zu halten, um den Zugriff meiner Kollegen nicht zu gefährden. Aber die beiden griffen mich an, und das endete böse. Ich wollte ihnen mit der Waffe drohen, da löste sich aus Versehen ein Schuss. Das Bandenmitglied wurde getroffen. Er kam später ins Krankenhaus, musste sich einer komplizierten Operation unterziehen ... Die Lage war aussichtslos, er fiel ins Koma. Ich besuchte ihn, betete, er möge überleben ... Er hieß Kimmo Leivo.«
Ronis Augen weiteten sich. »Kimmo«
»Ich hätte vor Gericht gestellt werden müssen. Aber dann wären
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