Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
eines unberechenbaren, gewalttätigen Drogenabhängigen, der jetzt unter dem Verdacht stand, Julia Leivo umgebracht zu haben.
Eine unangenehme Welle der Ungewissheit durchlief den Polizisten. Zwei Jahre zuvor hatte er bei einer routinemäßigen Festnahme eine Drogenspritze in den Arm bekommen und danach nervös auf das Resultat der Bluttests gewartet, die im schlimmsten Fall eine Ansteckung mit Hepatitis oder HIV ergeben hätten.
Kuvaja ging mit seinen Leuten an einem leeren Spielplatz vorbei, dessen Schaukeln aus irgendeinem Grund schon abmontiert und für den Winter eingelagert worden waren. Zwei kleine Jungen mit Mützen und Skateboards beobachteten aus einigem Abstand, wie die Polizisten im Eingang des Mietshauses verschwanden.
Kuvaja öffnete Valtteris Wohnungstür mit dem Schlüssel, den er bei der Hausmeisterfirma abgeholt hatte. Aus dem oberen Stockwerk hörte man einen heftigen Wortwechsel und Flüche.
In der Wohnung von Valtteri war niemand.
Gespannt drückte Toomas die Türklingel und trat einen Schritt zurück. Das Adrenalin ließ das Blut in seinen Ohren rauschen.
Der Plan war schnell entstanden, und ebenso schnell setzte Toomas ihn in die Tat um. Er hatte Jahre gewartet - jetzt würde er nicht einen Tag länger zögern. Die Unterhaltung zwischen Anatoli und Grotenfelt, die er bei Targa Trading mitgehört hatte, klang noch immer in seinem Kopf nach.
Die Tür ging auf.
Roni sah ihn überrascht an.
»Was machst du denn hier?«, fauchte Roni. »Verschwinde. Ich melde mich später bei dir.«
Er wollte die Tür zumachen, aber Toomas schob den Fuß in den Türspalt. In dem Moment erschien Ronis Vater hinter seinem Sohn. »Wer ist das?« Er schaute zuerst Toomas und dann Roni an. »Ich bin Julias Onkel. Toomas.« Während er das sagte, trat Toomas über die Schwelle und schloss die Tür hinter sich. »Was ....«
»Seid still und hört mir zu«, unterbrach Toomas sofort. Er nahm ein Mobiltelefon aus der Tasche und hielt es Roni und Tero vor die Nase. Dann drückte er eine Taste, und man hörte aus dem Lautsprecher die Stimme einer jungen Frau: Julia.
»Toomas, ich treffe mich heute Abend spät noch mit Roni. Aber ich hab Angst davor, wie er reagiert. Wenn er wütend wird ... Es wäre schön, wenn du kommen könntest. Wir treffen uns um elf vor dem SMarket in Hakunila. Roni fährt einen roten Audi TT.«
Toomas steckte das Telefon wieder ein.
»Du hast Julia umgebracht, Roni«, sagte er. »Und die Polizei wird sich für diese Aufnahme sehr interessieren.«
Teros Herz hämmerte so sehr, dass es schmerzte. Er starrte Toomas entsetzt an. Julias Worte hingen noch immer in der Luft.
Dann warf er einen kurzen Blick auf seinen Sohn, dessen Gesicht rot angelaufen war.
Tero versuchte sich zu fassen. Der Este hatte sie in der Hand, aber das durfte man sich nicht anmerken lassen. Er schaute Toomas fest in die Augen. »Ich könnte direkt zur Polizei gehen«, sagte Toomas. »Aber es gäbe da eine Alternative.«
Er machte eine Pause und fuhr fort: »Der Anruf kam auf einen PrepaidAnschluss, den man nicht bis zu mir zurückverfolgen kann. Ich fand die Nachricht erst heute, als ich die SIM-Karte in meinem Handy austauschte. Niemand muss von dem Anruf etwas wissen, wenn ich das nicht will.« Roni und Tero sahen sich an.
»Was meinst du damit?«, fragte Roni kaum hörbar.
»Kimmo setzt mich unter Druck. Ich soll dafür sorgen, dass Julias Mörder gefunden und umgebracht wird. Ich bin also in gewisser Weise dein Beschützer. Ich spiele bei Kimmo auf Zeit.«
Schweigen machte sich im Flur des Holzhauses breit.
»Was willst du als Gegenleistung?«, fragte Tero schließlich.
»Wir haben einen gemeinsamen Bekannten in Spanien. Marcus Grotenfelt.« »Was ist mit ihm?«, wollte Tero mit gezwungen ruhiger Stimme wissen. »Er hat ein Schließfach in einer Bank in Lausanne. Bei der UBC Bank. Ich will, dass ihr den dazugehörigen Code herausfindet, danach das Schließfach leert und mir den Inhalt bringt.«
Tero lachte ungläubig auf. »Und wie soll das gehen?«
»Das ist euer Problem. Ich gebe euch drei Tage Zeit. Lausanne, UBC. Wenn ihr mir nicht den Inhalt des Schließfachs bringt, darf die Polizei sich Julias Nachricht anhören. Und Kimmo ebenfalls.«
21
»Verdammter Mist«, sagte Tero mit erstickter Stimme. Der Schock bereitete ihm Übelkeit.
Roni schloss langsam die Haustür hinter Toomas und ging mit schweren Schritten ins Wohnzimmer.
»Warum hast du nichts getan?«, fragte er schroff.
»Was getan? Was hätte
Weitere Kostenlose Bücher