Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
versprochen, die Papierversion des Dokumentes träfe innerhalb von zwei Tagen per DHL ein. Alles schien in Ordnung zu sein. Die Bescheinigung des Endbenutzers war das wichtigste Dokument im internationalen Waffenhandel. Ohne dieses Papier wurden auf offiziellem Weg keine Waffen transferiert. Und offiziell war Anatoli Rybkins Geschäft. Nach außen hin war es legal in jeder Hinsicht, daran wurde trotz allem festgehalten. Der Schiffstransport von Rotterdam zum Hafen der ghanaischen Hauptstadt Accra würde nächste Woche abgehen.
Natürlich konnte sich Anatoli - und Toomas erst recht - nicht sicher sein, dass der Waffentransport nicht in irgendein Nachbarland Ghanas ging. Bewaffnete Konflikte gab es in Westafrika mehr als genug. Aber das war dann nicht mehr das Problem von Targa Trading.
Toomas gab den Druckbefehl und ging durch die helle Vorhalle zu dem Lagerraum, in dem der Drucker stand. Er kam an einer Sitzgruppe aus Leder und einem niedrigen Designtisch vorbei, unter dem ein Eisbärfell auf dem Industrieparkett lag. Den Nautilus-Lautsprechern, die zusammen so viel kosteten wie ein Mittelklassewagen, entströmte die ruhige Musik eines Cellokonzerts, aber Toomas schaltete die Anlage aus und blieb an der Treppe stehen, um zu lauschen.
Anatolis Stimme war tief und tragend, aber Worte konnte man keine verstehen. Die Männer gingen noch immer oben durch die Räume, jetzt aber in eine vielversprechende Richtung, und Toomas spitzte die Ohren, während er den Blick auf die verregnete Landschaft vor dem Panoramafenster heftete. Das Haus stand an einer exponierten Stelle auf einem Felsen, und man konnte zwischen gewundenen Kiefern hindurch weit aufs Meer hinausschauen. Rechts unten sah man ein Stück des asphaltierten Hofs, in dem die beiden Autos von Anatoli standen, der Range Rover und der kleine Alfa Romeo. Wieder einmal empfand Toomas den seltsamen Widerspruch zwischen der friedlichen Umgebung und der Tatsache, dass er hier für einen internationalen Waffenhändler arbeitete. In diesem Ambiente konnte man sich so etwas Hässliches wie Waffen absolut nicht vorstellen, und tatsächlich bekam Toomas die Ware, mit der Anatoli handelte, normalerweise auch gar nicht zu Gesicht. Um als Waffenhändler tätig zu sein, brauchte man nur ein Telefon, 71
einen Computer und ein Bankkonto. Jeder konnte Waffen verkaufen und vermitteln, daran war nichts Illegales, solange sie nicht in Regionen geschafft wurden, für die ein internationales Einfuhrverbot galt.
Gute Beziehungen brauchte man hingegen, und von denen hatte Anatoli ausreichend. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatte der ehemalige Offizier der Roten Armee sich die Lage zunutze zu machen gewusst. Er hatte begonnen, Waffen aus Russland in alle Welt zu verkaufen, und da er soliden Wohlstand schätzte, war er bald nach Finnland gezogen.
Von oben hörte man jetzt keine Stimmen mehr, und Toomas eilte zum Drucker. Er schob einen Hocker an eine bestimmte Stelle vor dem Regal, stellte sich darauf und konzentrierte sich auf die Stimmen, die durch das Ventil der Belüftungsanlage drangen.
Anatoli unterhielt sich in seinem Arbeitszimmer mit Marcus Grotenfelt. Toomas hatte einmal zufällig bemerkt, dass von dort alle Stimmen gut hörbar durch den Belüftungsschacht nach unten getragen wurden. Jetzt war Toomas speziell an dem interessiert, was Grotenfelt zu sagen hatte.
Er verharrte auf dem Hocker und blickte sich intuitiv nach allen Seiten um, obwohl er wusste, dass sonst niemand im Haus war. Um besser hören zu können, hielt er den Atem an. Das Gespräch wurde auf Englisch geführt. Es waren ganze Sätze zu verstehen.
Die Worte, die Toomas hörte, brachten das Herz in seiner Brust zum Hämmern, vor Aufregung musste er sich am Regal abstützen.
Vor einem Wohnblock im Helsinkier Stadtteil Vuosaari hielten zwei Polizeistreifen. Ihr Auftrag war klar: Festnahme von Valtteri Airas. Bei grauem Himmel und Regen wirkten die geraden Reihen der Blocks mit Sozialwohnungen noch trostloser als sonst. Der Scheibenwischer sorgte für gute Sicht, und Polizeihauptmeister Kuvaja, der den Einsatz leitete, fokussierte den Blick auf den Hauseingang 3 B. Dabei kamen ihm die Informationen aus Valtteris Vorstrafenregister in den Sinn: Drogenbesitz, Diebstahl, Widerstand gegen die Staatsgewalt. Eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung hatte er noch nicht bekommen, aber das war nur eine Frage der Zeit. Probleme dieser Art neigten dazu, sich zu häufen und schlimmer zu werden. Kuvaja machte sich das Bild
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