Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
Fertigpizza. »Hier ist es ein bisschen interessanter«, rief Rahnasto von der Badtür aus. 75
»Kuvaja hat nicht übertrieben«, sagte er und trat zur Seite, damit Norppa einen Blick in das Bad werfen konnte.
Hinter dem Duschvorhang standen hoch und dicht gewachsene Cannabispflanzen.
»Ziemlich eindrucksvoll«, stellte Norppa fest.
Rahnasto war von der Zucht ganz und gar nicht überrascht, aber er erhoffte sich von der Hausdurchsuchung noch wesentlich wertvollere Funde. Etwas, das Valtteri unbestreitbar mit dem Mord an Julia Leivo in Verbindung bringen würde.
Sie setzten die Suche fort, und fünf Minuten später starrte Rahnasto auf ein Foto, das er zwischen allerlei Zeug in der Tischschublade gefunden hatte. Julia.
Es handelte sich eindeutig um die Aufnahme eines Schulfotografen. Vor blauem Hintergrund blickte das Mädchen in die Kamera.
Warum besaß Valtteri Airas ein Foto von Julia? War er irgendwie auf das Mädchen fixiert? Hatte sie seine Annäherungsversuche abgewehrt? Bei der Obduktion hatten sich keinerlei Hinweise auf ein Sexualdelikt gefunden. Dennoch war die Möglichkeit eines Verbrechens aus Leidenschaft nicht auszuschließen, schon gar nicht, wenn es sich bei dem Opfer um ein so schönes Mädchen wie Julia handelte.
22
Tero ließ sich den warmen Wind vom Mittelmeer ins Gesicht wehen. Aber die Luft fühlte sich nicht so an wie früher. Nichts fühlte sich mehr an wie früher und daran würde sich nie mehr etwas ändern, dachte Tero untröstlich. Roni war pessimistisch, er glaubte nicht, dass sie Marcus' Schließfachcode herausfinden würden. Aber Tero wollte nicht schon vorab resignieren. Das konnten sie sich auch gar nicht leisten.
Er stand mit einem Glas Weißwein in der Hand auf der großen Terrasse einer luxuriösen spanischen Villa. Schon sein erster Besuch in Marcus' Villa in Marbella vor Jahren hatte bei Tero Erinnerungen aus der fernen Kindheit aufkommen lassen: In genau so einem Haus war er mit seinem Vater gewesen, nur dass es an der brasilianischen Küste gestanden hatte. Die Villa hatte einem Geschäftspartner seines Vaters gehört, und der Mann war ihnen mit Wärme und Gastfreundlichkeit begegnet, auch Tero, obwohl es damals sicherlich nicht üblich war, dass ein Vater seinen zehnjährigen Sohn auf Geschäftsreisen mitnahm.
Tero erinnerte sich noch genau, wie sein Vater am Abend mit dem Gastgeber im üppigen, warmen Garten in Lederstühlen saß, wie sie sich lebhaft und gestenreich im Licht der Lampions unterhielten - und ab und zu einen Schluck von den Getränken nahmen, die ein Dienstmädchen ihnen servierte. Schon damals hatte Tero Angst gehabt, dass der fremde Mann auf seinen Vater wütend werden könnte, denn wenn der Vater Alkohol getrunken hatte, wurde er anstrengend. Aber zu jener Zeit kannte Teros Vater noch seine Grenzen. Der Albtraum begann einige Jahre später, als die Ölkrise dafür sorgte, dass es mit der Firma steil bergab ging. Die Abendmaschinen aus Frankfurt und London brachten einen immer stärker torkelnden Vater nach Hause, bei dem der Schlips lose herabhing und das Hemd aus der Hose gerutscht war. Die Aktentasche konnte er durchaus in dem Lokal vergessen haben, zu dem er auf dem Weg vom Flughafen nach Hause noch einen Abstecher gemacht hatte.
Die Verwandlung der Persönlichkeit des Mannes in ihr Gegenteil war unfassbar und beängstigend gewesen. Der intelligente, warmherzige und beschützende Vater war zu einem anstrengenden Übel geworden, das sich mitten in der Nacht bei seinem Sohn auf die Bettkante setzte und immer wieder mit denselben Geschichten anfing. Und wenn er betrunken war, ertrug der Vater nicht die geringste Kritik. Bei der kleinsten Kleinigkeit wurde er wütend. Und alles, was man zu ihm sagte, verstand er als Vorwurf. Da war es besser, einfach still zu sein. Das wusste auch seine Haushälterin Helena, die wohlweislich auf ihrem Zimmer blieb, wenn der Vater betrunken war. Gelöbnisse der Besserung gab es mehr als genug, und eine Zeit lang glaubte Tero auch daran, bis er feststellen musste, dass kein einziges Versprechen eingehalten wurde. Schon damals beschloss Tero, dass er selbst nie so sein wollte. Sollte er jemals ein Kind haben, würde er kein gegebenes Versprechen unerfüllt lassen. Kein einziges. Nicht das geringste.
Der Konkurs der Firma besiegelte schließlich alles. Das Haus war als Sicherheit für die Kredite der Firma eingesetzt worden, die Wochenendvilla ebenso. Nichts blieb beim Alten, außer das Trinken des Vaters, und das
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