Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
gerichtet.
»Das Geld muss heute bezahlt werden. Aber so schnell können wir von hier aus die Summe nicht aus Finnland beschaffen.«
Tero verstummte und wartete gespannt auf Marcus' Reaktion.
»Tero, sei nicht zu streng. Rennfahrer sind extreme Typen. Tempo und Risiko faszinieren sie. Ob Rennstrecken, Spieltische, Geschäftsleben oder Frauen, immer suchen sie das Risiko«, meinte Marcus selbstgefällig und trank sein Glas leer. »Das steckt in den Genen. Manche brauchen einfach das Adrenalin, das nur durch Risiken produziert wird, damit sie das Gefühl haben, am Leben zu sein.«
Tero nickte, als hätte er die große Weisheit von Marcus' Worten erkannt. »Aber manche sollten sich besser auf die Rennstrecke konzentrieren und sich vom Spieltisch fernhalten«, sagte er.
»Das war das letzte Mal«, murmelte Roni. »Ich schwöre es.« Erwartungsvolle Stille machte sich im Raum breit.
»Achttausend?«, fragte Marcus und rappelte sich von der Couch hoch. »Ja. Nur für ein paar Tage«, sagte Tero. Das Gefühl der Erleichterung brachte ihn fast zum Zittern. Sie hatten auf die richtige Karte gesetzt. So ein einmaliger Fall von Spielschulden beendete Marcus' Unterstützung nicht. Im Gegenteil. Die Episode belegte nur, wie viel Roni und Marcus charakterlich gemein hatten. Marcus war im Geschäftsleben Risiken eingegangen und reich geworden. Tero wusste, dass diese Geschäfte zumindest teilweise mit dubiosen Immobilienspekulationen in Marbella zu tun hatten. Darum hatte der Mann auch garantiert reichlich Bargeld im Tresor liegen. Und aller Wahrscheinlichkeit nach bewahrte er im selben Tresor auch seine Bankdaten auf. Das Gefühl der Erleichterung wich rasch einer Anspannung, denn jetzt kam die anspruchsvollste und unsicherste Phase des Plans.
Nachdem er von draußen hereingekommen war, war Tero neben einer dunklen Holztür stehen geblieben, vor die Marcus nun trat. Der Schwede hielt den Finger über die Zahlentastatur des Schaltbretts für die Alarmanlage und zögerte einen Moment.
Tero hielt den Atem an. Marcus musste kurz über den Code nachdenken. Teros Herz pochte. Er hatte in seiner beruflichen Laufbahn zahllose unterschiedliche Alarmsysteme gesehen und benutzt. Marcus besaß ein DPS, das zur gehobenen Mittelklasse zählte.
Tero machte einen Schrägschritt nach vorne, damit Marcus' Schulter nicht die Sicht verdeckte. Konzentriere dich, sagte sich Tero innerlich. Konzentriere dich.
Marcus drückte langsam auf die Tasten.
9 . . . 2. ..5 . . . 6 . . .
Tero prägte sich die Zahlen ein. Er hatte den ganzen Vorabend mit Roni das Lesen von Ziffernfolgen geübt. Roni hatte Folgen von vier Ziffern auf seinem Telefon getippt, und Tero hatte versucht, sie aus einigen Metern Entfernung zu lesen.
Marcus öffnete die Tür und stieß sie hinter sich wieder zu. Tero hatte das Gefühl, sich in Zeitlupe zu bewegen, als er mit einem Satz zur Tür sprang. Unmittelbar bevor sie einschnappte, bekam er die Finger dazwischen. Er spähte durch den Spalt und flüsterte Roni rasch den Code zu, den dieser auf einem kleinen Block notierte. Tero sah, wie Marcus an der gegenüberliegenden Wand vor dem Kamin stand und auf einen der Kaminsteine drückte, worauf dieser sich öffnete wie eine Klappe.
Dahinter befand sich der Tresor. Marcus hob erneut mit ausgestrecktem Finger die Hand und drückte etwas zögerlich die Tasten.
3 . . . 3 -- . 6 . . . 5 - . .
Die Tresortür schnappte auf, und Marcus steckte die Hand in den Safe. Tero trat einen Schritt zur Seite und nahm von Roni Block und Stift in Empfang. Er schrieb den Code auf und begegnete dem Blick aus Ronis vor Anspannung geweiteten Augen.
»Stimmt das?«, hauchte Roni.
Tero nickte, obwohl ihn ein unangenehmes Gefühl beschlich. Der Abstand war zu groß gewesen, er hatte die letzte Ziffer nicht richtig gesehen.
Kimmo stand neben dem Haus, in dem Toomas wohnte, im Schatten des Unterstelldachs für die Mülltonnen. Seit über einer Stunde stand er schon dort, frierend, aber ruhig und entschlossen.
Er spürte das Gewicht der Beretta in seiner Tasche. Es sorgte dafür, dass er sich sicher und unruhig zugleich fühlte.
Toomas' Stellplatz war leer. Der Mann war schon immer gerne unterwegs gewesen. Wie konnten Geschwister nur so verschieden sein? Sirje fühlte sich zu Hause am wohlsten, sie brauchte nichts anderes als ein gutes Buch und eine Tasse Tee, vielleicht noch ein wenig Musik. Wahrscheinlich war Sirje in jüngeren Jahren genug durch die Gegend gerannt. Oder sogar zu viel. Von der
Weitere Kostenlose Bücher