RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
für ihre Mutter besser war, sich nicht zu erinnern. Sie erzählte mir, die Grenzwachen wären mit Hunden auf Patrouille gegangen. Andrzej mu ss te auf einen Baum klettern und hielt sich dort die ganze Nacht über versteckt. Es war so kalt, da ss er starr wurde und herun terfiel. „ Glücklicherweise fanden ihn einige von unseren Leu ten und brachten ihn nach Hause, so da ss ihn die Nazis Gott seid Da nk nie in die Hände be kamen “ , berich tete Hania. „ Doch er bekam eine Lungenentzündung. Wir versuchten ihn, gesund zupflegen, doch seine Lungen mach ten nicht mehr mit.“
Ich verlor mich in meinen Gedanken an Andrzej. Die Stra ss en von Tylicz führten mich zum Dorffriedhof. Nichts durfte ich auf seinen Grabstein legen, denn nach deutschem Recht war es Juden nicht erlaubt, Blumen auf das Grab eines Nichtjuden zu legen - dies würde man als Entweihung emp fin den; dafür würde man mich erschie ss en. Mir blieb nichts ande res übrig, als die Blumen, die schon auf dem Grab standen, mit meinen Tränen zu benetzen und an den Jungen zu denken, d en ich auf meinem Schulweg mit „Hallo“ zu grü ss en pflegte. Mir blieb nur der Gedanke, da ss es keinen mehr auf der Welt gab, der mir die Hand hielt und mich auf diesem Hügel grü ss te.
Andrzej Garbera
Nach Andrzejs Tod wurde gesetzlich festgelegt, da ss alle Juden, die weniger als vierzig Kilometer von der polnischen Grenze entfernt wohnten, abgeschoben werden sollten. Sie durften nur einen Laib Brot und pro Person ein Kleidungsstück zum Wechseln mitneh men. Die Korn reichs verloren ihren gesamten Besitz, ihr Haus, ihr Land. Sie wurden mit den anderen Juden aus Tylicz vertrieben und siedelten nach Florynka um. Damit verloren sie alle nichtjüdischen Verbündeten, die ihnen geblieben waren. Sie mieteten sich ein Zimmer bei einem Bauern und schliefen auf dem Fu ss boden auf Strohmatratzen. Rena hatte die Sondergenehmigung erhalten, ihre Kuh mitzubringen, doch wenn sie spät mit Melken dran war, stahl der Bauer die Milch und behauptete, die Kuh hätte keine. Da in dieser neu en Stadt nur sehr wenige die Korn reichs kannten, gab es kaum Nähaufträge. Aber alle paar Wochen schaute Tolek bei ihnen vorbei und brachten ihnen Mandeln aus der Slowakei. Rena und Danka brachten die Mandeln nach Grybow, wo sie sie an die dort ansässigen Juden verkauften und ein geringes Entgelt dafür bekamen. Tolek bestand darauf, da ss dies ihnen gehörte. Trotz all dieser Schwierigkeiten und Entbehrungen, war Rena dankbar, da ss sie zusamme n waren. Sie kam sich nützlich vo r und wu ss te, da ss ihre Eltern nur mit Dankas und ihrer Hilfe zurechtkamen.
Rasch verbreitete sich in der näheren Umgebung die Nachricht, da ss mehrere jüdische Mädchen in einer Nachbarstadt von deutschen Soldaten verge waltigt worden waren. Die Erin nerung an den Soldaten, der auf der Suche nach Rena ihren Dachboden gestürmt hatte, holte sie ein.
Spät in der Nacht hörten Danka und Rena ihre Eltern heimlich über ihr Schicksal beratschlagen. Ab sie am Morgen erwachten, sahen sie Mamas verweintes Gesicht.
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„Onkel Jakob kann euch nicht nehmen, deshalb mü ss t ihr b eide zu Zosia nach Bratislava. I n der Slowakei ist die Lage noch gut, und sie kennt dort viele reiche jüdi sche Familien, de nen die Situation hier bekannt ist. Sie werden euch aufnehmen und euch Arbeit geben, so da ss ihr in Si cherheit seid."
„ Ich werde eu ch nicht noch einmal verlassen.“ Ich hoffte, sie von ihrem Entschlu ss abbringen zu können.
„ Doch, das wirst du, Rena, denn wenn du das nicht tust, will ich lieber selbst gl eich sterben. Ich möchte nicht z usehen müssen, da ss meine Mädchen vergewal tigt werden.“ Mein Wi derspruch blieb mir im Mund stecken. Noch nie hatte ich in Mamas Augen so viel Hoffnungs losigkeit, soviel Entsetzen gesehen. „ Und ich brauche dich, damit du auf Danka aufpa ss t, Rena.“
„Wir werden gehen, Mama.“
Am Morgen ko mmt Tolek mit einem Schlitten. „Wir wer den diese Nacht vor der Grenze kampieren müssen, denn wir haben Vollmond, doch wir sollten so nah dran sein, da ss der Weg morgen A bend nicht zu be schwerlich wird.“
Sein freundliches Gesicht ist ein Trost unter so viel Fremd heit. Mir wird bewu ss t, da ss er uns nicht als Juden, sondern als Freunde betrachtet. Ich frage mich, warum der Rest der Welt das nicht auch so sehen kann wie er, wie ich.
Danka und ich drücken Mama fest an uns. Sie wirkt so klein, als schrumpfe sie u nter dem Gewicht
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