RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
ist für diese Aufgabe zu langsam und sie dreht sich nicht immer rechtzeitig zu mir her, damit ich ihr den Ziegelstein zu werfen kann, doch meine Nach barin wartet nicht auf mich. Sie wirft trotzdem.
Ich möchte schreien vor Schmerz, wenn die Ziegel auf dem Rist meines Fusses oder auf den Zehen landen, aber ich t ue es nicht. Ich tue nichts, was die Aufmerksamkeit auf mich lenken könnte. Ich werfe die Ziegel, wie man es mir befohlen hat, aber ich werfe sie meiner Schwester nicht vor die Fü ss e, ich ge be die Qual nicht weite r ; die man mir auferlegt. Ich nehme diese Ziegel von meinen Fü ss en und halte sie, bis Danka sie auf fangen kann; manchmal halte ich zwei oder drei Ziegelsteine gleichzeitig, manchmal habe ich vier. Danka merkt, da ss ich in Schwierigkeiten bin, und holt auf, doch sie ist wie ich, sie will ihrer Nachbarin keine Ziegelsteine vor die Fü ss e werfen. In ei nem haben wir Glück: D ie SS sieht die Zie gel nicht, die vor un sere Fü ss e fallen; andere werden für dieses Vergehen geschlagen. In der vergangenen Woche hatten wir Rückenschmerzen vom anstrengenden Schieben und Schaufeln, heute tun uns die Seiten weh, weil wir uns mit dem Gewicht der Ziegel hin und her bewegen und drehen. In jedem Muskel pocht es.
Stunden nach Sonnenaufgang kommt das Mittagessen, Stunden nachdem der erste Striemen auf unseren Händen sich wütend bemerkbar gemacht h at. Unsere Hände sind voll offe ner Schnittwunden und rissiger Haut, sie schmerzen allein schon beim Halten unserer roten, mit grauwei ss er Suppe ge füllten Becher. Wir können uns etwa zwanzig Mi nuten ausru hen, bevor wir wieder zurück in die Reihe, zu rück zu den Zie geln marschieren. Unsere Mägen und der Schmerz in unseren Händen nagen wie hartnäckige Ratten am letzten Rest unseres Menschseins.
Der Nachmittag schleppt sich dahin.
Bei Sonnenuntergang marschieren wir zurück ins Lager. Wir bleiben zum Anwesenheitsappell stehen. Wir werden gezählt. Neben uns liegen einige Leichen auf einem Haufen. Sie sehen so lebendig aus, als könnte man sie anfassen und aufwecken. Wenn sie nicht tot aussehen, überlege ich, könnten wir da nicht alle tot sein? Vielleicht ist da s hier alles, was es gibt, vielleicht gibt es keine Welt mehr au ss er halb von uns. So etwas kann man nicht denken, ohne verrückt zu wer den. Ich höre auf, über Dinge nachzudenken , die mich in den Wahnsinn trei ben könnten. Wieder konzentriere ich mich auf die Ge gen wart. Die jungen Frauen, die am Ende des Tages Leichen ins Lager schleppen, sind in Arbeitsgruppen, deren Aufseherinnen grüne Dreiecke tragen, dem Zeichen für über führte Mörderin nen. Wenigstens gehört unsere Aufseherin nicht dazu.
Vier Uhr morgens.
„Raus! Raus!“
Wir stellen uns zur Kontrolle auf. Nur die knappen Befehle der Deutschen, die durch die Nacht - unseren Tag - knallen, lassen uns die schwerlidrigen Augen offenhalten. Wir stellen uns hinter Emma auf. Ein paar fehlen in unserer Einheit, ein paar kommen dazu.
Mir sinkt das Herz, als wir uns dem Feld nähern, auf dem wir tags zuvor gearbeitet ha ben. Die Befehle der SS sind hä misch, könnten sie über uns lachen, würden sie es tun. „ Bringt diesen Ziegelhaufen wieder auf die andere Seite des Felds.“ Wir sind unfähig uns zu bewegen, unfähig diese Anordnungen zu begreifen. „Schnell!“ Die Pe itsche knallt, ihre Sklaven lau fen auseinander.
Danka steht neben mir, dem Haufen, den wir abtragen müssen, abgekehrt. Ich bete, da ss das Mädchen neben mir keine Ziegel vor meine F üsse wirft. Als die Sonne durch die Wolken bricht, schneidet mir der erste Ziegelstein in die Hand. Schmerz und Licht. Ich werfe ihn Danka zu, möchte, da ss er sanft in ihrer Hand landet, bitte den Ziegel, meiner Schwester nicht wehzutun. Das ist sinnlos! Es tut noch weitaus mehr weh, weil man w eiss , wie sinnlos diese Arbeit ist, weil man w eiss , da ss sie unsere Arbeit als wertlos ansehen. Wie lange soll das noch so weitergehen? Unsere Hände werden Stumpen sein, wenn das nicht aufhört. Das ist keine Ar beit. Das ist et was, was uns vernichten soll. Ich lösche diesen Gedanken aus wie eine Gewitterwolke die Sonne verdunkelt.
Nach dem Abendappell treibe ich mich drau ss en herum, denn ich habe keine Lust, in den Block zu gehen. Vielleicht ist es der zarte Duft des Frühlings in der Luft, vielleicht bin ich auch zu müde, um hinter den anderen herzulaufen und mich anzustellen. Danka ist schon vorausgegangen.
„Rena? Rena!“ Ich erblicke durch den
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