Renate Hoffmann
einem losen Knoten zusammen gebunden.
Renate beobachtete ihn bei der Arbeit. Seine Haut schimmerte in der prallen Mittagssonne. Die Muskeln seiner Arme waren gespannt. Er und eine Gruppe anderer junger Männer, zu denen auch Herbert gehörte, zerlegten die Bühne und brachten die einzelnen Bretter zu einem Transporter am Rand der Festwiese. Es schien, als würden sie nicht das Geringste wiegen. Zumindest, wenn Henning sie trug. Herbert hingegen war die Anstrengung deutlich anzusehen.
Eine Stunde später machten alle Helfer eine Pause. Bernhard brachte frische Semmeln und schenkte Bier aus. Es hätte eine gemütliche Situation sein können, wäre da nicht Herbert gewesen, der, bei jeder Möglichkeit, die sich ihm bot, seine Arme um Renate legte.
Die Atmosphäre war angespannt. Renate beobachtete Henning im Augenwinkel. Seine Nüstern waren gebläht, seine Augen wirkten bedrohlich. Es sah so aus, als würde er jeden Moment auf Herbert losgehen. Und auch Herbert schien die negativen Schwingungen zu spüren, wenn er sich auch nicht erklären konnte, was er getan haben könnte, um Fremden dermaßen zu verärgern.
Renate bereute, dass sie Henning nichts von Herbert gesagt hatte. Sie hatte es Henning nicht verschweigen wollen, sie hatte Herbert lediglich vergessen zu erwähnen. Das konnte auch damit verbunden gewesen sein, dass sie in dem Augenblick, als Henning sie an seinen stämmigen Körper gedrückt hatte, Herbert das letzte gewesen war, woran Renate gedacht hatte.
Renate schaute zu Herbert hinüber. Sie wusste, dass sie sich hätte schuldig fühlen müssen. Sie wusste, dass ihr schlechtes Gewissen sie hätte umbringen müssen. Und sie hatte auch ein schlechtes Gewissen, doch das galt nicht Herbert, sondern Henning. Für Renate fühlte es sich so an, als würde sie Henning mit Herbert hintergehen, nicht umgekehrt.
Zehn aufreibende Minuten später, stand Renate auf und entschuldigte sich mit dem Vorwand auf die Toilette zu müssen. Herbert lächelte sie an, stand ebenfalls auf und machte sich daran, das Bierzelt zu zerlegen. Henning schaute Renate wütend nach, was Renate ihm nicht einmal übel nehmen konnte.
Kapitel 54
Renate verschwand hinter einem Transporter im Gebüsch. Ihr Magen fühlte sich an, als müsse sie sich jeden Moment übergeben, was nicht zuletzt auf die Menge an Bier zurückzuführen war, die sie in sich hineingeschüttet hatte, um die gespannte Situation besser ertragen zu können.
Sie ging in die Hocke und lehnte sich an den Transporter, ihren Kopf stützte sie in die Hände. Sie konnte doch unmöglich alle Menschen, die ihr wichtig waren derart vor den Kopf stoßen. Doch Herbert zu heiraten kam auch nicht in Frage. Gerade als Renate aufstehen und wieder zur Festwiese zurückgehen wollte, stand Henning vor ihr und versperrte ihr den Weg.
„Mit dem bist du zusammen?“, schnaubte Henning wütend. Renate schaute zu Boden. Langsam kam er auf sie zu. „Ich habe dich etwas gefragt...“, sagte Henning bedrohlich. Renate nickte ohne aufzuschauen. Sie war sich sicher, dass Henning jeden Moment gehen würde, sie war sich sicher, dass er nie wieder auch nur ein Wort mit ihr sprechen würde. Doch er ging nicht. Er blieb wie angewurzelt stehen.
Unsanft zog er Renate an sich. Sie beschloss seine Wut zu ertragen. Sie beschloss nichts zu sagen, das es noch schlimmer hätte machen können. Sie hatte Henning getäuscht und sie hatte seinen Zorn verdient. Als er nach einigen Sekunden noch immer nichts gesagt hatte, schaute Renate vorsichtig zu ihm hoch. Seine Haut war von einem dünnen Schweißfilm überzogen. Seine Schlagader vibrierte in seinem breiten Hals. Seine unbändige Wut zog Renate auf eine unerklärliche Art und Weise an. Er hatte etwas von einem wilden Tier an sich, das sie zwar einerseits verschreckte, jedoch andererseits unheimlich faszinierte. Und dann geschah etwas, womit Renate niemals gerechnet hätte.
Henning packte sie und drückte sie gegen den Transporter. Er zog sie an sich und küsste sie mit einer Leidenschaft, die Renate so nicht kannte. Eng umschlungen standen sie verborgen im Gebüsch. Seine Hände glitten über ihren Körper. Die Art wie er Renate küsste, erregte sie in einem Maß, von dem sie nie gedacht hätte, dass sie es empfinden könnte. Sie schlang ihre Beine um seine Hüften und küsste ihn mit einer Inbrunst, die sie ihrem Verlobten in den gesamten drei Jahren ihrer Beziehung nicht ein einziges Mal entgegen gebracht hatte. Renate hätte es nie für möglich
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