Renate Hoffmann
absieht, dass mein gesamtes Leben eine absolute Katastrophe ist und ich immer häufiger mit dem Gedanken spiele vom Balkon zu springen, geht es mir wirklich gut...“
Herbert lachte. „Es ist schön deine Stimme zu hören, Renate.“
„Es ist auch schön deine zu hören...“, sagte Frau Hoffmann. Und es stimmte, auch wenn diese Tatsache Frau Hoffmann sehr überraschte. Es war tatsächlich schön mit ihm zu reden. Es war sehr lange her, dass Frau Hoffmann eine Stimme aus ihrem alten Leben gehört hatte.
„Und? Wirst du kommen?“ Herbert fragte das fast schon flehend. Frau Hoffmann seufzte. „Bitte, Renate...“ Sie seufzte ein weiteres Mal, dann sagte sie zu. „Du kommst? Du kommst wirklich?“, fragte er glücklich.
„Wenn ich es doch sage...“, antwortete Frau Hoffmann an der Schwelle zum gereizten Tonfall.
„Und wann?“, fragte Herbert überschwänglich.
„Das weiß ich noch nicht“, sagte sie. „Ich werde mir frei nehmen müssen.“
„Und wann wirst du es wissen?“
„Das kann ich dir nicht sagen.“
„Denkst du, das wird problematisch?“
„Ich hoffe nicht...“, log Frau Hoffmann, weil sie insgeheim genau wusste, dass es kein bisschen problematisch wäre. Herr Hofer hatte ihr bereits angeboten, ihr ein paar Tage frei zu geben, sollte sie zu ihrer Schwester fahren wollen. Dennoch wollte sie sich nicht auf einen Tag festlegen. Sie hatte zugesagt, damit musste Herbert vorerst zufrieden sein.
„Ich danke dir, Renate...“, sagte Herbert wenige Minuten später. „Ich weiß, dass das alles bestimmt nicht einfach für dich ist.“
„Barbara ist meine Schwester“, sagte Frau Hoffmann. „Und vielleicht wird sie sterben...“
Kapitel 51
Renate löste die Schleife ihrer Schürze und legte sie zusammen. Auch die letzten Gäste des Dorffestes machten sich inzwischen auf den Nachhauseweg. Renate verabschiedete sich noch kurz bei Bernhard, der sich überschwänglich bei Renate für ihre Hilfe bedankte und ihr ein Bündel Geldscheine zusteckte. Renate schaute auf das Bündel und streckte es ihm wieder entgegen. Bernhard bestand darauf, dass sie es annehme und wünschte ihr eine gute Nacht. Sein Angebot, sie bei sich zu Hause abzusetzen, lehnte sie mit der Begründung dankend ab, dass sie ohnehin noch nicht müde sei und gerne noch ein Stück zu Fuß gehe.
Renate schlenderte über den leer gefegten Festplatz. Es erschien ihr seltsam, dass hier wenige Augenblicke zuvor noch ausgelassen getanzt und gefeiert worden war. Als sie an der Holzbühne vorbei ging, sah sie die Bandmitglieder der Black Rabbits auf einer Bierbank sitzen. Sie versuchte unerkannt an ihnen vorbei zu huschen, weil sie sich vor ihren fünf betrunkenen Gestalten fürchtete. Als sie fast außer Sichtweite war, hörte sie, wie ihr einer der Männer nachstellte. „Hey, Kleine, lauf doch nicht weg...“, sagte er lallend. Renate ging schneller. „Jetzt bleib schon stehen...“ Er hielt Renate am Arm fest und drehte sie zu sich. „Du bist doch die Kleine vom Ausschank...“, sagte er und der Geruch von Bier strömte bei jedem seiner Worte in Renates Nase. Sie hatte ihn mehrfach gesehen. Er hatte sein Bier jedes Mal bei ihr bestellt und sie schmierig angelächelt. „Kannst du nicht sprechen?“, fragte er und schüttelte sie. „Du bist doch die vom Ausschank?“ Renate nickte. Sie bemerkte nicht, wie Tränen über ihre Wangen liefen. Sie bemerkte auch nicht, dass sie zitterte. In Gedanken sah sie schon die Schlagzeilen der Tageszeitungen vor sich. Junge Frau nach Dorffest verschleppt, oder Der Fall Renate H. – noch immer keine Leiche, oder Die Schande von Tüßling – Renate H. tot aufgefunden.
„Lass sie los...“, sagte eine dunkle Stimme, die Renate nicht erkannte. Der Mann, der sich einmischte, schien direkt hinter ihr zu stehen.
„Ich mach doch gar nichts“, antwortete der Mann, der Renate am Arm hielt.
„Lass sie los, Basti, ich meine es ernst...“ Der Tonfall des Mannes klang bedrohlich.
„Misch dich da nicht ein...“, sagte der andere aufgebracht. Renate hörte ihren Puls wie ein dumpfes Meeresrauschen und ihre Fingerkuppen fühlten sich taub an. „Ich habe hier nur ein bisschen Spaß mit der Kleinen vom Ausschank.“
Renate hörte, wie jemand langsam von hinten auf sie zukam. „Eine Frau, die zittert und weint, hat keinen Spaß.“
„Halt dich da raus, klar...“ Dieser Satz war getränkt von Bier und Zigaretten. Basti umschloss Renates Handgelenk noch fester.
„Basti, hör auf mit dem
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