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Renate Hoffmann

Renate Hoffmann

Titel: Renate Hoffmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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anderen zu spüren, oder ob es an der Tatsache lag, dass sein Kuss sie völlig überrumpelt hatte.
    Ihre Gefühle für Henning rebellierten, während die für Robert triumphierten. Frau Hoffmann hätte nicht gedacht, dass das passieren würde, weder an diesem Tag noch in naher Zukunft. Vielleicht hatte sie sogar damit gerechnet, dass das niemals passieren würde.
    Herr Hofer schien nicht zu wissen, ob er soeben einen großen Fehler gemacht, oder ob er richtig gehandelt hatte. Es war ein Impuls gewesen. Es war die einzig denkbare Art gewesen seine Gefühle zu zeigen.
    „Ich möchte gerne nach Hause...“, sagte Frau Hoffmann mit zitternder Stimme. Sie wollte ihm nicht vor den Kopf stoßen, doch sie konnte ihm auch nicht länger gegenüberstehen. Es schien als wäre dieser Kuss die ganze Zeit zwischen ihnen gestanden, und nun da er das nicht mehr tat, ging es darum zu begreifen, was Herr Hofer ihr bedeutete. Es ging darum, damit umzugehen, dass sie sich über alle Maßen zu ihm hingezogen fühlte. Doch vor allem ging es darum zu erkennen, dass sie nichts falsch gemacht hatte. Sie hatte Henning nicht hintergangen, auch wenn es sich gerade so anfühlte. Sie lebte endlich weiter.
    Herr Hofer öffnete die Beifahrertür. Frau Hoffmann stieg ein und sank in den Sitz. Ihre Knie schienen überaus erleichtert darüber zu sein, sie nicht länger halten zu müssen. Wie betäubt starrte sie aus dem Fenster. Auf ihren Lippen schimmerte noch immer dieser Kuss. Der Kuss, der alles in ihr aufwühlte. Denn einerseits war er wie eine Befreiung über sie gekommen, andererseits schien er zu bedeuten, dass sie sich nun endgültig von Henning zu verabschieden hatte, und das schien ihr völlig unmöglich. Mehr noch, es war ausgeschlossen.
     
Kapitel 91  
    Frau Hoffmann hievte den Karton in den Aufzug. Sie wusste nicht warum sie es tun musste, sie wusste nur, dass es an der Zeit war. Die Türen schlossen sich und der Fahrstuhl ruckelte schwerfällig in den elften Stock.
    Frau Hoffmann betrachtete den Bilderrahmen, unter dessen verstaubtem Glas vier Fotos hingen. Eines von zwei Politikern, die sich die Hände reichten, eines, das lediglich golden war, eines der Buslinie 53 und eines ihres eigenen Gesichts. Sie schloss die Augen und dachte an jene Sommernacht zurück. Sie dachte an die enormen Schwingen des Friedensengels, die sie schützend umschlossen hatten. Sie dachte an das Gefühl zurück, das sie damals empfunden hatte.
    Weinend saß sie auf ihrem Bett. Sie wusste nicht, was passieren würde, doch sie wusste, dass Henning immer ein fester Bestandteil ihres Lebens sein würde. Sie wusste, dass es nichts gäbe, das ihn jemals hätte ersetzen können, und doch schien ihr langsam klar zu werden, dass sie sich in Robert verliebt hatte, wobei diese Gefühle denen des normalen Verliebtseins nicht wirklich ähnelten, denn dafür war Frau Hoffmann zu abgebrüht. Sie hatte keine Schmetterlinge im Bauch und sie hatte auch nicht das Gefühl auf Wolken zu wandeln. Und doch konnte sie nicht leugnen, was er ihr bedeutete. Vielleicht war er das längst überfällige nächste Kapitel.
    Umringt von Erinnerungen schlief Frau Hoffmann gegen viertel vor elf ein. Sie hatte nicht mehr Zähne geputzt. Sie hatte nicht einmal ihren Schlafanzug angezogen. Dieser lag unangetastet auf der Heizung im Badezimmer und wunderte sich über die Tatsache, dass er sich zum ersten Mal in vielen Jahren mit Desinteresse konfrontiert sah.
    Henning kam langsam auf sie zu. In seinem Gesicht spiegelte sich eine kuriose Mischung aus Verständnis und Trauer wider. Es schien ihm Nahe zu gehen, dass seine Nati nach so langer Zeit nun doch einen Mann gefunden hatte, der es dem Anschein nach wirklich ehrlich mit ihr meinte. Henning breitete seine stämmigen Arme aus und Frau Hoffmann schmiegte sich an seinen starken Körper. Es war ein schönes Gefühl im so nah zu sein. Sie spürte seinen Herzschlag, oder auch ihren eigenen, so genau konnte sie das nicht sagen.
    Frau Hoffmann schaute ihm in die Augen. Aus einem unerfindlichen Grund wusste Frau Hoffmann, dass Henning nur einen einzigen Satz zu ihr sagen würde. Sie fragte sich, ob er nicht anders konnte, oder ob es nicht mehr zu sagen gab. Sie fragte ihn, ob er denke, dass sie einen Fehler mache, woraufhin er sanft lächelnd den Kopf schüttelte. Er streichelte über ihr Haar. „Du fehlst mir...“, sagte Frau Hoffmann. Henning küsste sie auf die Stirn. „Fehle ich dir auch?“ Henning nickte. „Fehle ich dir sehr?“ Henning

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