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Renate Hoffmann

Renate Hoffmann

Titel: Renate Hoffmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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erfahren würde. Sie dachte daran, dass sie ihn seit ihrem Kuss nicht gesehen hatte. Im Grunde stimmte das nicht, denn sie hatte ihn nicht nur nicht gesehen, sie hatte ihn gemieden. Und dafür schämte sie sich.
    Vier Mal hatte er sie angerufen. Und jedes Mal hatte sie drangehen wollen, doch was hätte sie sagen sollen? Sie wusste nicht, was sie tun oder sagen sollte. In ihrem Kopf schien die Unordnung die Zügel übernommen zu haben, und deswegen hatte sie beschlossen, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die sie beeinflussen konnte, und hatte nicht Robert sondern Herbert angerufen, um diesem zu sagen, dass sie sich endlich hatte freinehmen können und am kommenden Tag um 16: 43 in Tüßling ankommen würde.
    Die Landschaft sauste an ihrem Fenster vorbei, so wie es auch die vergangenen Jahre ihres Lebens getan hatten. Für einen kurzen Augenblick fragte sie sich, was sie tun würde, sollte sie ihren Eltern über den Weg laufen, doch dann sagte sie sich, dass das einfach nicht geschehen würde und schaute weiter aus dem Fenster.
    Die Türen des Zuges öffneten sich. Frau Hoffmann nahm ihre Tasche und ging den Bahnsteig hinunter. Ihre Nervosität begleitete sie bei jedem ihrer Schritte. Sie schaute sich nach Herbert um, konnte ihn jedoch nirgends entdecken.
    „Renate!“ Frau Hoffmann drehte sich um. Und da stand er. Die letzten Jahre hafteten seinen Zügen kaum an. Ein paar vereinzelte Fältchen um die Augen, ansonsten sah er noch genauso aus wie damals, als Renate ihn für Henning verlassen hatte. „Ist das schön dich zu sehen!“ Herbert legte seine Arme um sie und drückte sie fest an sich. „Du siehst toll aus...“ Frau Hoffmann bedankte sich und lächelte verlegen. „Mein Auto steht da vorne.“ Herbert zeigte in Richtung Ausgang.
    „Wie geht es ihr?“, fragte Frau Hoffmann, während Herbert ihre Tasche im Kofferraum verstaute.
    „Nicht gut...“, antwortete er ohne sie anzusehen.
    „Weiß sie, dass ich hier bin?“, fragte Frau Hoffmann vorsichtig. Herbert schaute auf und nickte. „Aber meine Eltern...“
    „Deine Eltern wissen von nichts...“, unterbrach er sie lächelnd. „Ich halte mein Wort, Renate...“ Frau Hoffmann schaute betreten zu Boden, sagte jedoch nichts.
    Wenig später betrat Frau Hoffmann Herberts Haus. Obwohl sie es wusste, erschien ihr der Gedanke plötzlich seltsam, dass er mit ihrer Schwester verheiratet war, und noch seltsamer erschien ihr, dass sie einmal selbst mit ihm zusammen gewesen war. Hätte sie ihn geheiratet, würde jetzt sie hier leben. Sie war froh, dass das nicht eingetroffen war. „Sie liegt oben...“, sagte Herbert und deutete in Richtung Treppe.
    Er begleitete sie hinauf. Vor der zweiten Tür auf der rechten Seite blieb er stehen, schaute Frau Hoffmann lange an und ging wieder nach unten. Frau Hoffmann atmete tief ein, dann klopfte sie an.
     
Kapitel 95  
    Mit knurrendem Magen lag Renate im Bett, als es an der Tür kratzte. „Geh bloß weg...“, sagte Renate noch immer wütend. Es kratzte ein zweites und ein drittes Mal. Da sie nicht reagierte kratze Henning lauter und jaulte jämmerlich. „Ich hab gesagt, du sollst weggehen...“
    Einen kurzen Augenblick später hörte sie, wie Hennings Schritte sich langsam entfernten und atmete erleichtert durch. Als sie endlich langsam wegdriftete, polterte die Musik im Nebenzimmer los. Erstarrt vor Schreck saß Renate im Bett, stand auf und ging mit geblähten Nüstern ins leere Wohnzimmer und schaltete die Musik aus. Wenige Sekunden später, sie wollte gerade wieder ins Bett steigen, setzte die Musik wieder ein. Wütend ging sie zurück ins Wohnzimmer und schaltete sie wieder aus, doch nicht einmal drei Sekunden später, kreischte der Sänger weiter. Renate drehte sich um, doch von Henning war keine Spur, nur in der Küche brannte Licht.
    Lautlos schlich sie zur angelehnten Küchentür. Sie war sich sicher, dass Henning mit seiner Fernbedienung hinter der Tür kauerte und darauf wartete, sie im richtigen Moment von hinten anzuspringen. Das hatte er schon öfters gemacht. Doch dieses Mal würde es ihm nicht gelingen.
    Renate trat schwungvoll gegen die Tür, die mit einem lauten Scheppern gegen die Arbeitsfläche donnerte, doch Henning war nicht da. Stattdessen war da eine blank geputzte Küche, Henning hatte sogar die Fettflecken, die die in Butter geschwenkten Nudeln auf dem Boden hinterlassen hatten, weggewischt. Sprachlos betrachtete sie Hennings Liebesbeweis. Sie wusste, dass er keinen gesonderten Wert auf

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