Renate Hoffmann
hatte sogar die Fenster geputzt. Der gräuliche Schmierfilm, der es sich im Laufe der Zeit auf den Fensterscheiben gemütlich gemacht hatte, hatte eine Stunde zuvor sein jähes Ende gefunden. Zufrieden lächelnd machte sich Renate auf den Weg ins Badezimmer, denn es gab nichts Schöneres, als in einem frisch geputzten Bad zu duschen.
Während sie noch immer leise summend unter dem warmen Wasserstrahl der Dusche stand, hörte sie, wie Henning nach Hause kam, und auch ohne es zu sehen, wusste sie, dass er in diesem Moment seine Schuhe in den Flur warf und sich gleich daran machen würde für sie beide zu kochen.
Renate hatte sich gerade den Schaum aus den Haaren gespült, als sie hektisches Geklapper aus der Küche hörte. Bei der Vorstellung, wie er in wenigen Minuten all ihre Arbeit zu Nichte machen würde, stellte sie das Wasser ab, griff fast schon panisch nach einem Handtuch, legte es sich um und ging in die Küche, wo der Herd bereits frisch gewürzt vor ihr lag.
Tobend vor Wut warf Renate die Tür zur Küche hinter sich zu, und ging zurück in Richtung Bad, wo sie um ein Haar über Hennings riesige Turnschuhe stolperte. Renate spürte ihre Halsschlagader, was ein sicheres Anzeichen dafür war, dass ihre Wut einen Höhepunkt erreicht hatte. Sie packte Hennings riesige Schuhe, ging zielstrebig ins Badezimmer, öffnete das Fenster und warf sie in den Hof. Er hatte sie einmal zu oft in den Flur geschmissen. Dieses Mal würde sie sie nicht neben den Eingang stellen. Noch immer wütend cremte Renate sich ein. Hennings gleichgültige Respektlosigkeit hatte sie schon immer geärgert. Wenn er sich aber dann einmal alle vier Jahre dazu aufraffte den Staubsauger in die Hand zu nehmen und zu saugen, war es vollkommen klar, dass man diesen schweißtreibenden Akt der Aufopferung seinerseits zu würdigen hatte.
Renate stellte ihre Creme in den Badezimmerschrank. Sie stellte sie immer an genau dieselbe Stelle, weil sie sich einbildete, dass es ihrer Creme nicht recht wäre, ständig von anderen Hygieneartikeln umgeben zu sein, außerdem musste das Etikett genau nach vorne schauen, weil sie der Meinung war, dass das ihrer Creme so am liebsten war. Als sie die Tür des Schrankes zu machte, fiel ihr Blick auf die Waschmaschine, und die Tatsache, dass die Wäsche noch immer verknuddelt und verknittert aus der Trommel lugte, ließ bei Renate endgültig die Sicherungen durchbrennen.
Mit vibrierender Halsschlagader stapfte Renate in die Küche und hielt Henning ihr Arbeitshemd entgegen, das zu einem kleinen Knollen verschrumpelt war. „Schau dir das an!“, schrie Renate am Rande der Verzweiflung.
„Was ist das?“, fragte Henning schmunzelnd.
„Mein Arbeitshemd...“, sagte Renate, den Tränen nahe.
„Das ist doch nicht so tragisch, Nati...“, sagte Henning und wandte sich dem Herd zu. „Das bügelst du einfach, und dann sieht es wieder aus wie neu...“
„Wieso sollte ich das bügeln?“, fragte sie schrill.
„Na, es ist doch dein Hemd...“
Fassungslos starrte Renate Henning an, den Hemdknollen hielt sie noch immer in die Höhe. „Ich hatte dich gebeten die Wäsche aufzuhängen...“
„Ja, das hab ich halt vergessen...“, raunte Henning und schaufelte Nudeln auf einen Teller. Die Tatsache, dass ihm zwei vorher in Butter geschwenkte Nudeln auskamen und auf den frisch gewischten Boden fielen, bemerkte er nicht.
„Ich hasse es, dass du immer alles dreckig machst, ich hasse es, dass ich dir ständig hinterherputzen muss, ich hasse es, dass du kochst als hättest du ein spastisches Nervenleiden...“
„Was soll das denn bitte heißen?“, fragte Henning verärgert.
„Schau dich doch mal um...“, schrie Renate, „...wenn du kochst, dann ist alles überall, nur nicht da wo es hin gehört...“
„Du führst dich auf, als wärst du meine verdammte Mutter...“
„Wenn du ihr genauso wenig Respekt entgegengebracht hast wie mir, dann kann ich gut verstehen, dass sie nichts mehr mit dir zu tun haben will...“ Henning schaute Renate giftig an, nahm seine Nudeln und verschwand im Wohnzimmer. Die Küche hinterließ er genau so, wie er es auch tags zuvor getan hatte.
Kapitel 94
Frau Hoffmann schaute auf die Uhr. In zwanzig Minuten würde sie zum ersten Mal seit über zehn Jahren in Tüßling ankommen. Es war ein seltsames Gefühl sich der Vergangenheit zu nähern. Und es schien unwirklich, dass gerade Herbert sie vom Bahnhof abholen würde.
Frau Hoffmann fragte sich, ob Robert von ihrer Abwesenheit
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