Rendezvous in Kentucky
hat?«
»Wahrscheinlich meinte sie, daß du ein junger Mann mit einem sehr gesunden Appetit bist, Jessie. Übrigens, würdest du bitte, wenn wir draußen sind, das Untier freilassen, das sich in deiner Hosentasche bewegt?«
Er grinste spitzbübisch. »Sicher. Würdest du schreien, wenn ich es dir zeige?«
»Ich hoffe nicht. Wahrscheinlich ist die Vorahnung dessen, was kommen wird, viel schlimmer als die Wirklichkeit.«
»Wie?«
»Ach was. Komm, laß uns nachschauen, was deine Mutter für uns eingepackt hat. Ich komme um vor Hunger.«
Jessie zeigte ihr all seine Lieblingsplätze — eine versteckt liegende Quelle, Wildwechsel, zwei Vogelnester und den verlassenen Bau einer Wildkatze. Gegen Mittag nahm sie von ihm Abschied, um zu ihrer Hütte zurückzukehren. Sie wollte weiter an dem Hemd nähen. Sie lächelte, als sie das kleine Haus betrat — während ihrer Abwesenheit war jemand hier gewesen, und das konnte nur Devon gewesen sein. Sie fand Säcke mit Maismehl, getrocknete Apfel, einen Tiegel Schweineschmalz, Speck, gedörrten Fisch und ein kleines Glas mit eingelegtem Gemüse. Vier Kaninchen hingen am Kamin, und eine Menge sauber gestapeltes Brennholz lag neben dem Herd, in dem das Feuer munter flackerte. Sie berührte alles, ehe sie sich daranmachte, Devons Hemd zu nähen.
Jemand klopfte. »Herein!« rief sie, ohne von ihrer Näherei aufzusehen.
Devon betrat die Hütte. »Wie kannst du einfach >Herein< rufen, ohne zu wissen, wer draußen ist? Du solltest die Tür abschließen und niemanden hereinlassen, bevor du nicht gefragt hast, wer es ist. Es gibt nämlich auch hier Männer, die es ausnutzen könnten, wenn ein hübsches Mädchen allein lebt.«
»Danke.«
»Wofür dankst du mir?«
»Weil du mich als hübsches Mädchen bezeichnet hast.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe die Familienbibel mitgebracht. Sag mal, was riecht hier so gut?«
»Das Abendessen. Willst du zuerst lernen oder zuerst essen?«
»Beides.« Er grinste. »Wenn es so gut schmeckt, wie es riecht, dann möchte ich vorher und hinterher essen.«
»Also gut.« Sie füllte mit einer großen Schöpfkelle dickes, köstlich duftendes Stew in einen tiefen Teller. Dann holte sie einen knusprigen Laib frischgebackenen Brotes, schnitt eine dicke Scheibe ab und bestrich sie mit goldgelber Butter. Ein großer Becher voll kühler Milch rundete das Mahl ab.
»Woher hast du die ganzen Sachen? Ich habe weder Butter noch Milch oder Zwiebeln und Kartoffeln gebracht.« Er stocherte in seinem Stew herum.
»Es ist komisch, Devon. Den ganzen Nachmittag hat es an der Tür geklopft, und wenn ich aufgemacht habe, war niemand draußen, aber irgend jemand hatte Lebensmittel hingestellt. Es war wie ein Wunder.«
»War?« fragte er mit vollem Mund.
»Schließlich blieben zwei der Spender stehen, um mit mir zu reden — die Starkzwillinge!«
»Welche?« unterbrach er sie.
»Wieviel Zwillingspärchen gibt es denn bei den Starks?«
»Zwei Ausgaben, und Esther ist schon wieder schwanger. Jeder schwört, daß es diesmal wieder Zwillinge werden. Scheint das einzigste zu sein, was Doll wirklich zustande bringt. Aber erzähl weiter, was war dann?«
»Eubrown und Lissie erzählten mir, daß die Lebensmittel für dich sind. Sie wissen, daß ich für dich koche, und du hast schon so viel für sie getan — sie wollten dir etwas zurückzahlen.«
Devon schien für einen Augenblick ziemlich verblüfft zu sein, dann grinste er sie an. »Wenn sie mir soviel zu verdanken haben, warum haben sie mich dann die ganze Zeit Gaylons Fraß essen lassen?« »Ich glaube, Großzügigkeit hat ihre Grenzen. Und so wie ich es verstanden habe, hat es auch mit dem Ärger zu tun, den Corinne momentan macht.« Sie sah ihn auffordernd an. Doch Devon schwieg beharrlich und löffelte sein Essen. »Ich sollte diese junge Frau besser kennenIernen... Ist sie wirklich so fürchterlich?«
Er lächelte und brach sich gemächlich ein Stück Brot ab. »Laß es mich bitte wissen, wenn du vorhast, mit Corinne um mich zu kämpfen, ja? Ich würde gern zuschauen.«
Linnet sah ihn kühl an. »Ich bezweifle, daß wir das tun werden. Also, wenn du jetzt damit fertig bist, dich vollzustopfen, könnten wir mit dem Unterricht beginnen, ja?« Er hob eine Augenbraue und unterdrückte mühsam das Lachen. »Ich bin bereit.«
Sie nahm die Bibel, öffnete sie und vertiefte sich einige Zeit in den Familienstammbaum, der hier sauber aufgelistet war. »Devon, hier sind die Namen aller Familienmitglieder
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