Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)
alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Gibt es jemanden in Joes direktem Umfeld, der Groll gegen ihn hegt?«
»Was? Nein! Chip und ich sind schon dabei, seit sich Joe für den Kongress beworben und keinen Cent in der Tasche hatte. Wir verdienen zwar immer noch nicht viel, bekommen aber immer mehr Spendengelder. LaDonna hat sich etwa zur selben Zeit als Freiwillige beworben. Die Menschen lieben Joe! Alle, und ich meine wirklich alle. «
»Was ist mit seinen alten Freunden aus Armeezeiten? Sind einige vielleicht verärgert darüber, dass er seine Einstellung zum Krieg geändert hat?«
»Nein, niemand! Sie sind vielleicht nicht immer mit ihm einer Meinung, trotzdem stehen sie hinter ihm. Er war ein Kriegsheld, ist euch das eigentlich bewusst? Seine Männer haben ihm vertraut. Persönlich finden die meisten, dass der Krieg eine Farce ist – es gibt viel zu wenig Männer und Waffen. Sie ziehen los und suchen nach El-Kaida-Mitgliedern, und immer, wenn sie auch nur in ihre Nähe kommen, werden sie zurückgepfiffen. Viele glauben, dass ihre Freunde umsonst gestorben sind. Ihr solltet sie reden hören!«
»Trotzdem ist es schwer vorstellbar, dass jeder ihn liebt«, warf Mar-Mar ein. »Was ist mit Daniels Ex-Frau?«
Ginny kicherte, dann lachte sie und klang schon bald, als stünde sie am Rande der Hysterie. Jedes Mal, wenn sie etwas zu sagen versuchte, brach sie erneut in Gelächter aus. Ich sah zu Benny, doch die zuckte bloß mit den Schultern.
Mar-Mar versuchte, sich ihre Verärgerung nicht anmerken zu lassen, aber ich erkannte an den Falten um ihren Mund, dass sie innerlich vor Wut kochte. Schließlich sagte sie: »Vielleicht könntest du uns erklären, was an dieser Frage so lustig ist.«
Ginny hob um Entschuldigung bittend eine Hand. »Es tut mir leid. Gebt mir eine Minute.« Sie holte ein paar Mal tief Luft. »Entschuldigt. Die Vorstellung ist nur so absurd. Barbara, die einen Killer anheuert? Wenn ihr sie kennen würdet …« Sie begann erneut zu kichern und schlug sich daraufhin mit der flachen Hand ins Gesicht. »O Mann, ich sollte mich zusammenreißen. Passt auf, diese Idee ist verrückt. Erstens hat Barbara Joe verlassen, nicht umgekehrt. Sie war es leid, dass er sich ständig freiwillig für alle möglichen Aufträge meldete und nie zu Hause war. Wenn überhaupt, dann fühlt sie sich schuldig, weil sie ihn im Stich ließ, besonders, nachdem er ein Bein verloren und sich zu einem Kriegsgegner gewandelt hat. Die Ironie des Ganzen ist, dass Barbara … wie soll ich es erklären? Nach der Trennung von Joe ist Barbara dem Jainismus beigetreten. Sie begann, eine OP-Maske zu tragen, damit sie nicht aus Versehen irgendwelche Insekten einatmet und sie dadurch umbringt. Sie rastete vollkommen aus, wenn sie etwas getötet hat, und sei es nur eine Spinne. Sie wurde zur Veganerin und zog in ein Baumhaus – ohne Witz, sie wohnt in einem Baum in Nordkalifornien. Sie hat eine Kompostiertoilette und baut ihr eigenes Essen an. Sie besitzt weder Telefon noch Auto, geschweige denn eine Kreditkarte. Sie zahlt keine Steuern, weil sie von etwa fünfhundert Dollar im Jahr lebt, und nach der Scheidung wollte sie keinen Cent von Joe. Und sie soll einen Killer anheuern?« Ginnys Mund zuckte erneut verdächtig, aber ihr gelang zu sagen: »Das ist … das ist lächerlich.«
»Weißt du, Mar-Mar«, sagte ich und versuchte, mir meine Ungeduld nicht anmerken zu lassen, denn offenbar führte die Befragung von Ginny zu gar nichts, »Ginny hat recht. Niemand aus Joes direktem Umfeld scheint die Mittel zu haben, um einen Killer zu engagieren. Wenn einer von Joes engsten Mitarbeitern vorhat, ihn umzubringen, warum sollte er dann überhaupt jemanden anheuern? Er könnte es einfach selbst erledigen. Ich glaube, du bist auf der falschen Fährte.«
Mar-Mar starrte mich wütend an. »Wir versuchen, Verdächtige auszuschließen, Daphne, mehr nicht.«
»Dann betrachte sie als ausgeschlossen und hör auf, Zeit zu vergeuden. Ich glaube genau wie Ginny, dass irgendein großes Unternehmen dahintersteckt, irgendeine übereifrige, rechte Gruppe mit Verbindungen zum Militär oder zur Waffenindustrie. Der Drahtzieher muss auf jeden Fall tiefe Taschen haben – das schränkt die Liste schon deutlich ein. Und es schließt die Regierung keinesfalls aus.«
»Wie ich bereits sagte, es ist weder die CIA, NSA, oder das FBI«, erwiderte Mar-Mar spitz.
»Bleiben unter anderem noch das MIA, DIA, ATF und das Treasury Department, nicht wahr?«, wandte ich
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