Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)
Staten Island und Manhattan befanden sich direkt dahinter. Wir mussten nur noch über die dunklen Wasser der Bucht von Newark Richtung Downtown Manhattan fliegen und uns den Broadway entlang über die hohen Türme der Stadt schwingen, dann waren wir zu Hause. Wenn wir durchhielten.
Kapitel 14
Die Sache zeigt sich dergestalt:
Der Liebe Wunden sind heiß,
die des Todes kalt.
Ben Jonson
L angstreckenflüge verändern das Gleichgewicht zwischen Verstand und Instinkt. Der Körper übernimmt die Kontrolle und konzentriert sich auf Flügel und Muskeln, die Gedanken hingegen wandern frei umher. Während Benny und ich auf Baumkronenhöhe ostwärts flogen, den Highway unter und die Sterne über uns, fühlte ich mich zwar gelöst, aber nicht von den Konflikten in meinem Herzen befreit.
Jahrelang hatte ich ein einsames Leben geführt, ohne menschlichen Kontakt und ohne Intimität mit Männern oder männlichen Vampiren. Ich kapselte mich ab, um nicht verletzt zu werden und um denjenigen, die mir wichtig waren, kein Leid zuzufügen. Dann zerrte mich das Oberhaupt einer Spionageorganisation – meine Mutter – gegen meinen Willen wieder hinaus in die Welt. Mein Panzer bekam einen Riss, und ich erlaubte den anderen Dark Wings – Benny, Cormac und dem verstorbenen Bubba Lee –, in mein Herz einzudringen. Vor allem aber verliebte ich mich in Darius.
Unglücklicherweise traf ich mit Darius keine gute Wahl, denn ich beging die gleichen Fehler wie eh und je. Ich fühlte mich aus denselben Gründen zu Darius hingezogen wie einst zu Lord Byron. Ich konnte ihm einfach nicht widerstehen, genauso wie ich Lord Byron etwa ein Jahrhundert zuvor nicht hatte widerstehen können. Ich erinnerte mich nur allzu gut, was geschehen war, nachdem ich ihm zur Flucht aus dem Gefängnis in Pisa verholfen hatte und wir die Reise zurück zu meiner Villa in Montespertoli angetreten hatten.
Nachdem das Adrenalin in meinen Adern abgeflaut war, realisierte ich, dass aus unserer neu entfachten Liebesaffäre nicht Gutes entstehen konnte. Als Byron – nach der unbeendeten Zusammenkunft im Hauseingang – in der ruckelnden Kutsche erneut einen Annäherungsversuch unternahm, stieß ich ihn von mir und rückte von ihm ab.
Er neckte mich mit den Worten: »Meine Dame, Euer Herz ist wie der Himmel, es verändert sich Tag und Nacht. Gerade ziehen Wolken und Donner darüber, und die Dunkelheit steht in ihrer schwärzesten Stunde …«
»Deine Zeilen sind sehr hübsch«, unterbrach ich ihn, »aber sie werden mich nicht dazu bringen, mich von dir verführen zu lassen. Derartiger Wankelmut ist mir zuwider. Sobald wir meine Villa erreicht haben, schreibst du deiner kleinen Mätresse, dass sie dich abholen soll.« Ich war eifersüchtig auf die anderen Geliebten Byrons, obwohl ich keinerlei Recht dazu besaß. Warum hätte er mir in den letzten zehn Jahren treu sein sollen? Schließlich hatte ich ihn in England ohne irgendein Versprechen fortgeschickt. Ich zeigte mich also durchaus wankelmütig. Obwohl ich geschworen hatte, ihn niemals wiederzusehen, war ich ihm zu Hilfe geeilt.
Byron wandte sich verärgert ab, presste sich in die gepolsterten Sitze der schwankenden Kutsche und starrte vor sich hin. »Was du Wankelmut nennst, ist nichts weiter als Bewunderung für etwas Geliebtes, so wie ich eine Statue betrachte, die ich verehre. Ich würde lieber bei dir bleiben. Du bist meine Seelenverwandte. Wir sind beide zur Verdammnis verurteilte Geschöpfe, die andere Menschen so sehen, wie sie wirklich sind – unnütz und dumm. Ich bin nicht wankelmütig, sondern äußerst konsequent. Ich trinke, um zu flüchten. Ich esse, um meinen Appetit zu sättigen. Ich schlafe, um zu vergessen. Und ich verführe, um mich abzulenken. In der Dunkelheit sind alle Katzen grau«, sagte er und schloss seine wunderschönen Augen, deren lange Wimpern einen Schatten auf seine Wangen warfen.
Ich spürte eine Welle der Zärtlichkeit in mir aufsteigen, griff nach seiner Hand und fühlte seine starken Finger in der meinen. »George, wenn wir unserer Leidenschaft freien Lauf lassen, wird sie zum Instrument, das uns beide zerstört.«
Er öffnete die Augen und sah mich an, und ich erkannte die Verzweiflung, die darin geschrieben stand. »Wie viel schöner es doch wäre, an deinem Busen zu sterben, als einen letzten bebenden Atemzug auf dem verdreckten Boden eines Kerkers oder dem blutdurchtränkten Morast eines Schlachtfeldes zu tun! Ich habe dein Geheimnis stets bewahrt, Daphne«,
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