Rendezvous mit einem Mörder
teurer und sehr cleverer Anwälte, die Sie bereits wieder draußen hätten, noch ehe meine Anzeige wegen Einbruchs fertig geschrieben wäre. Aber eventuell sollte ich mir trotzdem die Mühe machen und Sie auf Staatskosten wenigstens für ein paar Stunden einlochen lassen.«
Roarke fragte sich, ob er vielleicht verrückt geworden war, weil ihm ihre verbalen Peitschenhiebe ein solches Vergnügen bereiteten. »Das wäre wenig produktiv. Außerdem sind Sie hundemüde. Warum setzen Sie sich nicht?«
»Ich werde mir die Mühe sparen, zu fragen, wie Sie hier hereingekommen sind.« Sie spürte, dass sie zitterte vor Zorn, und fragte sich, welche Befriedigung es ihr wohl verschaffen würde, seine eleganten Handgelenke in Fesseln zu legen. »Schließlich sind Sie Eigentümer des Gebäudes.«
»Eins der Dinge, die ich an Ihnen bewundere, ist die Tatsache, dass sie keine Zeit damit vergeuden, Dinge, die offensichtlich sind, ausführlich zu besprechen.«
»Ich frage nur, warum.«
»Nachdem Sie mein Büro verlassen hatten, habe ich sowohl aus beruflichen als auch aus privaten Gründen weiter an Sie gedacht.« Er bedachte sie mit einem schnellen, charmanten Lächeln. »Haben Sie schon etwas gegessen?«
»Warum?«
Er tat einen Schritt in ihre Richtung, sodass das Licht der Lampe in seinem Rücken spielte. »Beruflich habe ich ein paar Anrufe getätigt, deren Ergebnisse für Sie interessant sein dürften. Privat…« – er hob eine Hand an ihr Gesicht und strich federleicht über das kleine Grübchen in der Mitte ihres Kinns – »mache ich mir Gedanken wegen Ihrer müden Augen. Aus irgendeinem Grund habe ich das Bedürfnis, wenigstens dafür zu sorgen, dass Sie anständig essen.«
Obgleich sie wusste, dass sie sich aufführte wie ein trotziges Kind, riss sie sich von ihm los. »Was für Anrufe?«
Lächelnd ging er zu ihrem Tele-Link und fragte: »Darf ich?«, während er bereits die von ihm gewünschte Nummer wählte. »Hier ist Roarke. Sie können das Essen jetzt raufschicken.« Er brach die Verbindung ab und sah sie wieder lächelnd an. »Sie haben doch hoffentlich nichts gegen Pasta?«
»Im Prinzip nicht. Aber ich habe etwas dagegen, wenn man einfach über mich bestimmt.«
»Das ist noch eine Seite, die ich an Ihnen mag.« Er setzte sich wieder in den Sessel und zog, ohne auf ihr Stirnrunzeln zu achten, seine Zigarettenschachtel aus der Tasche. »Aber ich finde, dass man sich bei einer warmen Mahlzeit einfach besser entspannen kann. Sie entspannen sich zu selten, Eve.«
»Sie kennen mich wohl kaum gut genug, um das beurteilen zu können. Außerdem habe ich nicht gesagt, dass Sie hier rauchen können.«
Er zündete sich eine Zigarette an und betrachtete sie durch die Wolke aus hellem, duftendem Rauch. »Nachdem Sie mich schon nicht wegen Einbruchs festgenommen haben, werden Sie mich wohl kaum verhaften, weil ich rauche. Ich habe eine Flasche Wein mitgebracht und zum Atmen in die Küche gestellt. Hätten Sie vielleicht gerne ein Glas?«
»Was ich gern hätte – « Plötzlich kam ihr ein Gedanke, und sie war derart wütend, dass sie kaum noch Luft bekam. Mit einem Satz war sie an ihrem Computer und verlangte Zugang.
Was ihn verärgerte, und zwar genug, sodass man es ihm anhörte. »Wenn ich gekommen wäre, um in Ihren Dateien herumzuspionieren, hätte ich anschließend wohl kaum auf Sie gewartet.«
»Den Teufel hätten Sie nicht getan. Eine solche Arroganz sähe Ihnen ähnlich.« Aber keine der Dateien war geöffnet worden.
Sie wusste nicht, ob sie erleichtert oder enttäuscht sein sollte, bis sie das kleine Päckchen neben ihrem Bildschirm liegen sah. »Was ist das?«
»Ich habe keine Ahnung.« Abermals blies er eine würzige Rauchwolke aus. »Es lag auf dem Boden neben der Tür. Ich habe es aufgehoben.«
Eve wusste, was es war – sie erkannte die Größe, die Form und das Gewicht. Und sie wusste, wenn sie die Diskette in den Computer schieben würde, bekäme sie den Mord an Lola Starr zu sehen.
Etwas an ihrem plötzlich veränderten Blick führte dazu, dass er sich wieder erhob und mit sanfter Stimme fragte: »Was ist das, Eve?«
»Es betrifft meine Arbeit. Bitte entschuldigen Sie mich.«
Sie marschierte geradewegs in ihr Schlafzimmer, schloss und verriegelte die Tür.
Nun runzelte Roarke seinerseits die Stirn. Er ging in die Küche, suchte zwei Gläser und schenkte ihnen beiden von dem Burgunder ein. Sie lebte sehr spartanisch. Sehr wenige persönliche Dinge, nichts, was auf ihre Vergangenheit oder ihre
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