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Rendezvous mit einem Mörder

Rendezvous mit einem Mörder

Titel: Rendezvous mit einem Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.D. Robb
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sehe sie vor mir, sobald ich meine Augen zumache oder aufhöre, mich darauf zu konzentrieren, was als Nächstes getan werden muss.«
    »Erzähl es mir.«
    Sie erhob sich, holte ihre beiden Gläser und kehrte zum Sofa zurück. Der große Schluck Rotwein befeuchtete ihre ausgedörrte Kehle und beruhigte das schlimmste Flattern ihrer Nerven. Es war allein die Müdigkeit, sagte sie sich, die sie derart schwächte, dass sie die Dinge einfach nicht länger für sich behalten konnte.
    »Die Meldung kam, als ich einen halben Block entfernt war. Ich hatte gerade einen anderen Fall abgeschlossen und die Daten in den Computer eingegeben. Es hieß, die am nächsten befindliche Einheit sollte hinfahren. Häusliche Gewalt – ist immer ziemlich eklig, aber ich war praktisch vor der Tür. Also habe ich die Sache übernommen. Ein paar Nachbarn standen draußen auf der Straße, und sie sprachen alle auf einmal.«
    Vor ihrem geistigen Auge lief die Szene ab wie in einem perfekt gedrehten Video. »Da stand eine Frau im Nachthemd, und sie weinte. Ihr Gesicht war zerschunden, und eine der Nachbarinnen versuchte, eine Schnittwunde an ihrem Arm zu verbinden. Sie blutete heftig, und ich sagte, sie sollten einen Krankenwagen rufen. Sie sagte immer wieder: ›Er hat sie. Er hat mein Baby.‹«
    Eve nahm einen zweiten Schluck. »Sie hat meinen Arm gepackt und mich mit ihrem Blut verschmiert, und die ganze Zeit hat sie geschrien und geweint und gesagt, ich müsse ihn aufhalten, ich müsse ihr Baby retten. Ich hätte um Verstärkung bitten müssen, aber ich dachte, so lange könnte ich nicht warten. Also bin ich die Treppe rauf und habe ihn gehört, lange bevor ich den dritten Stock erreichte, wo er sich in der Wohnung verbarrikadiert hatte. Er tobte wie ein Wahnsinniger. Ich glaube, ich habe das kleine Mädchen schreien gehört, aber ich bin mir nicht sicher.«
    Sie schloss ihre Augen und betete, dass sie sich irrte. Sie wollte glauben, dass die Kleine bereits tot gewesen war, dass sie bereits alle Schmerzen hinter sich gehabt hatte. So nahe gewesen zu sein, nur ein paar Schritte von dem Kind entfernt… Nein, damit könnte sie nicht leben.
    »Als ich die Tür erreichte, ging ich nach der normalen Verfahrensweise vor. Seinen Namen hatten mir die Nachbarn genannt. Also rief ich ihn und auch das Kind beim Namen. Es heißt, es würde persönlicher, realer, wenn man die Leute beim Namen nennt. Ich habe gesagt, ich wäre Polizistin, und ich käme jetzt herein. Aber er hat nur weiter getobt. Ich konnte hören, wie Gegenstände in der Wohnung kaputt gingen. Von dem Kind hörte ich nichts. Ich glaube, ich wusste es bereits. Ich wusste es bereits, bevor ich die Tür aufbrach. Er hatte es mit dem Küchenmesser in Stücke gehackt.«
    Als sie das Glas erneut an ihren Mund hob, zitterte ihre Hand. »Da war so viel Blut. Sie war so klein, aber da war so viel Blut. Auf dem Boden, an der Wand, im Gesicht, an den Händen und den Kleidern dieses Irren. Es tropfte sogar noch von seinem Messer. Ihr Gesicht war mir zugewandt. Ein kleines Gesicht mit großen blauen Augen. Wie von einer Puppe.«
    Sie schwieg einen Moment und stellte ihr Glas vorsichtig zur Seite. »Er war zu aufgedreht, als dass ich ihn hätte einfach betäuben können. Er rückte ständig näher. Das Blut tropfte von dem Messer und von seinen Kleidern, und er kam näher und näher. Also sah ich ihm in die Augen, mitten in die Augen. Und schoss ihm mitten ins Herz.«
    »Und am nächsten Tag«, beendete Roarke ihre Ausführungen leise, »hast du dich kopfüber in die Ermittlungen in einen neuen Mordfall gestürzt.«
    »Die psychologische Untersuchung wurde nur verschoben. In ein, zwei Tagen bin ich dran.« Sie zuckte mit den Schultern. »Die Psycho-Fuzzis werden denken, es läge an dem gezielten Todesschuss. Wenn es sein muss, kann ich so tun, als wäre es der Schuss gewesen. Aber das ist nicht wahr. Ich musste ihn töten. Das kann ich akzeptieren.« Sie sah ihm in die Augen und wusste, ihm konnte sie sagen, was sie bisher noch nicht einmal sich selbst gegenüber hatte eingestehen können. »Ich wollte ihn umbringen. Vielleicht musste ich es sogar. Als ich zusah, wie er starb, habe ich gedacht, nie wieder kann er einem anderen Kind so etwas antun. Und ich war froh, dass ich diejenige war, die ihn daran gehindert hat.«
    »Aber du meinst, es ist falsch, dass du so denkst?«
    »Ich weiß, dass es falsch ist. Ich weiß, sobald ein Polizist auch nur das geringste Vergnügen dabei empfindet, einen Menschen

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