Rendezvous mit Mr Darcy
auf das Pianoforte ein, und ein Stück von Beethoven ertönte laut im Raum.
Grace haute dermaßen in die Tasten, dass Chloe praktisch schreien musste. Sie wollte ihre Unterhaltung mit Henry so kurz wie möglich halten, und so schaute sie in das Kaminfeuer und fummelte an ihrem Kleid herum.
»Darf ich mir die Wunde ansehen?«
Grace stimmte Bachs »Toccata und Fuge in d-Moll« an.
Chloe entschloss sich, Henry keine weiteren widersprüchlichen Botschaften zu schicken. »Wie bereits gesagt, Mr Wrightman, mir geht es gut.«
Fifi winselte.
»Oh je, oh je, oh je«, rief Mrs Crescent verzweifelt und ihre Stimme hörte sich an wie ein Singsang.
Henry ließ nicht locker. »Ich empfehle Ihnen zu baden und den Verband in den nächsten vierundzwanzig Stunden zu wechseln. Genauso empfehle ich Ihnen ein oder zwei Schlückchen Branntwein.«
Sie musste lächeln, obwohl sie dem Wodka aus diesem Nähschränkchen abgeschworen hatte … so wie auch Henry.
»Und ich muss natürlich morgen nach Ihnen schauen.«
»Das wird nicht notwendig sein.«
Just in diesem Moment kam Sebastian herein und sah – wieder einmal – Henry und Chloe zusammenstehen.
Genau das sollte doch nicht geschehen! Sie wandte sich Sebastian zu. »Und vielen Dank, Mr Wrightman, dass Sie mich im Heckenlabyrinth gerettet haben.«
Sebastian nickte nur.
Henry hatte ihr den erzielten Fortschritt mit Sebastian wieder zunichte gemacht!
Grace und Julia nahmen die Gelegenheit wahr, sich auf Sebastian zu stürzen, beide im Wettstreit um seine Aufmerksamkeit, beide wunderschön, glanzvoll und – trocken.
Chloe kam zu der Einsicht, dass Mrs Crescent Recht hatte, sie sah schrecklich aus und war in keinem Zustand, in dem sie mit Grace und Julia hätte konkurrieren können, weder körperlich und vielleicht noch nicht einmal geistig! Sie sollte wirklich häufiger auf ihre Anstandsdame hören.
»Nun, Mrs Crescent und ich müssen los.« Chloe knickste, die Männer verbeugten sich, und sie schlurfte zur Eingangshalle, Mrs Crescent im Gefolge.
In der mit Marmorfliesen ausgelegten Eingangshalle erhaschte sie einen Blick von sich in dem bodenlangen, mit Goldblatt verzierten Spiegel und fand, sie sähe eher aus wie eine im Dachboden weggesperrte Irre als eine Elizabeth Bennet, die sich gerade ihre Unterröcke auf dem Weg nach Netherfield schmutzig gemacht hatte. Abgesehen davon, waren Unterröcke im Jahr 1812 völlig aus der Mode. Sie zog einen Zweig aus ihrem zerzausten Haar.
Wie war sie nur auf die Idee gekommen, eines derart attraktiven Aristokraten mit Studium in Oxford würdig zu sein? Früher hatte sie geglaubt, hierher nach England zu gehören, doch jetzt schien es so, als hätte Grace Recht. Sie gehörte weder hierher noch an einen anderen Ort in England.
Sie zögerte, bevor sie die Kutsche bestieg, ein schwarzer Wagen mit festem Dach und einem goldenen W auf der Tür. Die vier schwarzen Pferde warfen ihre Mähnen und stampften mit den Hufen.
»Nach Bridesbridge Place«, sagte Mrs Crescent zu dem Kutscher.
Fifi, der neben Chloe saß, zerrte an seinem Verband und schob seinen Kopf unter ihren Arm. Chloe streichelte ihn, er leckte ihren Arm, und dieses Mal zuckte sie nicht zurück. Die Kutsche fuhr an, und ihr Hinterkopf stieß gegen die Ledernoppen des Sitzes. Als sie später wieder aus dem Fenster der Kutsche schaute, sah sie die mit Weinranken überwachsenen Mauern von Bridesbridge Place. Sie musste wohl eingeschlafen sein.
Mrs Crescent legte ihre Hand auf Chloes Knie und lächelte. »Nun, wir haben zwar die Gelegenheit verpasst, Vielseitigkeitspunkte bei dem Wettbewerb im Heckenlabyrinth zu erzielen, aber dafür werden Sie das Bad bekommen, das Sie sich so wünschen. Und ich freue mich, dass die Dinge mit Mr Wrightman so gut laufen.«
Sie liefen gut … bis Henry dazwischengefunkt hatte.
Später am Nachmittag rief Fiona Chloe zu sich ins Bad, und Chloe war mehr als glücklich darüber, von ihrem gestickten Kaminschirm wegzukommen.
»Wir müssen Ihnen Ihr Badekleid anziehen.« Fiona griff in den Chippendale-Kleiderschrank von Chloe und zog etwas Dünnes, Weißes heraus, das aussah, als wäre es aus Gaze.
»Ich muss selbst in der Badewanne ein Kleid anziehen?«, fragte Chloe ungläubig. Das Kleid strich gegen ihre Fußgelenke, während Fiona sie in einen Raum mit Steinfliesen führte.
»Sie werden schon sehen, warum«, versicherte ihr Fiona. Sie krempelte ihre Ärmel hoch, und Chloe erblickte das keltische Tattoo, das ihr schon vor einer Woche aufgefallen
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