Rendezvous mit Mr Darcy
angekommen, als ihr die Haube einfiel. Sie holte Haube, Sonnenschirm und Handschuhe und hüpfte die Treppe der Dienerschaft herunter, wo sie im Dunkeln beinahe eine Stufe übersah.
5. K apitel
Ihre weißen Strümpfe hingen über einem Zweig in der Nähe und wehten leicht im Wind, während sie in den Teich watete. Sie hatte ihre Unterhose hochgerollt, das Kleid bis zu den Knien gehoben und wusch sich Arme und Beine mit der Seifenkugel, während sie sich am liebsten ganz ausgezogen hätte, um in das Wasser einzutauchen. Aber das wäre nicht nur unpassend gewesen. Sie wollte auch nicht, dass irgendjemand sie splitterfasernackt sah, außer, sie hätte mit dieser Person schon ein paar Gläser getrunken, und das Ganze würde im Schein flackernder Kerzen stattfinden. Das im neunzehnten Jahrhundert genutzte Kerzenlicht brachte zahlreiche Vorteile für eine nicht mehr ganz junge, unverheiratete Frau wie sie mit sich.
Obwohl das Wasser nur ihre Knöchel benetzte, kühlte es ihren gesamten Körper, und auch wenn es keine Dusche war, hatte sie doch das Gefühl, sauberer zu sein. Sie redete sich ein, dass jede Dame, die etwas auf sich hielt, das Gleiche tun würde, um ihrer persönlichen Hygiene nachzukommen. Abgesehen davon hatte sie einem Diener die Nachricht hinterlassen, Mrs Crescent auszurichten, dass sie gleich wieder zurück sein würde. Laut dem Regelbuch war ihr Verhalten untadelig, solange sie nicht unbegleitet das Anwesen von Bridesbridge Place verließ.
Sie blickte zurück auf das Haus, konnte es aber durch die Bäume nicht sehen. Irgendetwas, wahrscheinlich ein Reh, bewegte sich im Laub. Sie sollte sich besser wieder auf den Weg machen. Mrs Crescent würde bald von ihrem Nickerchen aufwachen. Chloe musste sich überwinden, um zurück zum Ufer zu gehen.
In der Ferne, oben auf dem Hügel, ragte ein griechischer Tempel mit einem grünen Kuppeldach und sechs Säulen empor, über den genau in diesem Augenblick ein Flugzeug am Himmel vorbeizog, dessen dröhnende Triebwerke Chloe zusammenzucken ließen.
Trotz Nachttöpfen und wöchentlichen Bädern wollte sie auf keinen Fall zurück in die moderne Welt. Sie hatte schon Schlimmeres benutzt als einen Nachttopf, um zur Toilette zu gehen. Dixiklos. Ein oder zwei Mal während ihrer Studentenzeit einen Parkplatz. Ein Plastikbecher bei der Geburtshelferin, als sie schwanger war. Dann war da noch William, der arme Sohn von Mrs Crescent, der anscheinend unter irgendeiner Krankheit litt. Und Abigail, die zu ihrer Mom aufsah und von ihr erwartete, zu gewinnen. Auch wenn Mr Wrightman ihrer Vorstellung von Mr Darcy nicht entsprochen hatte, war ihr zweiter Eindruck, nachdem die Sache mit den Egeln geklärt worden war, dennoch ein guter. Grace und Mrs Crescent schienen ihn auf jeden Fall für einen Musterknaben zu halten.
Sie sollte besser wieder in den Salon zurückkehren – und zwar auf der Stelle.
Ein Pferd wieherte auf der anderen Seite des Teichs, worauf sie vor Schreck ihre Seifenkugel im Wasser verlor, in dem auch der Saum ihres Kleides landete.
»Wie ist das Wasser?« Die männliche Stimme hatte einen englischen Akzent. Sie hatte sie noch nie zuvor gehört, und sie erklang aus Richtung des großen Kastanienbaums.
Ihr ganzer Körper erstarrte, selbst ihre Lippen wurden taub. Der Teich verwandelte sich in ein eisiges Gewässer, Sonnenlicht drang durch die Bäume und ließ das Wasser durchsichtig erscheinen. Ein Mann in einem grünen Reitrock tauchte hinter der Kastanie auf. Er trat in schwarzen Reitstiefeln und Reithose an die Uferböschung, eine behandschuhte Hand hielt die Zügel eines weißen Pferds. Zwei Greyhounds standen rechts und links von ihm.
Die Szene hätte geradewegs aus einer Jane-Austen-Verfilmung stammen können – großer, dunkelhaariger, gut aussehender Mann taucht urplötzlich aus dem Wald auf –, nur dass natürlich weder die Heldin knietief im Wasser eines Teichs stünde noch ihre Strümpfe an einem Baum hingen.
Er zog seinen Hut, der leicht zerzaustes Haar freilegte, und verbeugte sich.
Er besaß dunkle Augen und breite Schultern, die in dem gut geschnittenen Reitrock besonders zur Geltung kamen. Es musste sich um den Mann handeln, den sie auf dem Feld mit den Holzstämmen hatte trainieren sehen. »Wie schade, dass wir uns noch nicht offiziell vorgestellt worden sind, Miss Parker, denn dann könnten wir uns zwanglos unterhalten. Und ich könnte Sie vielleicht aus dem Wasser geleiten.«
Woher kannte er bloß ihren Namen? Ihre Strümpfe
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