Rendezvous mit Mr Darcy
mit ihren Trippen. Chloe bewunderte das riesige Ölgemälde über dem Kamin und fragte sich, ob es eine Szene auf dem Anwesen von Dartworth darstellte. Sie empfand das Foyer und die Halle als elegant und prächtig, aber nicht protzig.
Chloe stand unter dem lebensgroßen Porträt eines Mannes und eines Jungen, das gegenüber vom Kamin hing. Der weißen Perücke mit dem Pferdeschwanz und dem Dreispitz des Jungen nach war das Porträt im späten 18. Jahrhundert entstanden. Die dunklen Augen des Jungen zogen sie in ihren Bann.
Imogene gesellte sich zu ihr. »Sieht er nicht umwerfend aus? Das ist der Gott-weiß-wievielte-Urgroßvater der Wrightmans. Ich weiß von einem der Dienstmädchen, dass er in diesem Teil des Landes sehr bekannt war für seine Großzügigkeit und Rechtschaffenheit.«
Chloe biss sich auf die Unterlippe, denn das hier war nicht nur ein Spiel, nicht nur eine Chance für sie, Geld zu gewinnen und zu flirten. Sebastian stammte aus einer langen Reihe von Adligen ab, ein Erbe, das wenig mit einer Buchdruckerin aus Chicago gemeinsam hatte.
Blitze zuckten in dem halbrunden Fenster oberhalb der großen Eingangstüren im Foyer auf.
Dieses Mal ließ Chloe Grace den Zug der Damen anführen. Ein Kameramann war vorne bei Grace, während eine Kamerafrau am Ende der Gruppe blieb und Chloe filmte. Der Butler führte sie durch die Halle an der Bibliothek vorbei, die so riesig war, dass Chloe stehen bleiben und einen Blick hineinwerfen musste.
Sie stellte den Traum eines jeden Bücherfreunds dar. Deckenhohe Bücherregale aus Mahagoni, in denen ein ledergebundenes Buch neben dem anderen stand, säumten die Wände. Ein Globus aus Holz in einem Ständer, ein alter Zeichentisch und ein Bücherständer, auf dem sich ein aufgeschlagenes Vogelbuch mit farbigen Abbildungen befand, standen verstreut im Raum herum. Auf dem Sekretär aus Walnussholz lagen ein Stück rotes Siegelwachs und ein Federmesser auf einem Stapel Papier. Eine Feder in einem silbernen Halter, daneben ein Tintenfass, erweckte den Eindruck, als hätte Mr Wrightman gerade eben noch einen Brief geschrieben. Ein Gedichtband von Cowper lag geöffnet da. Konnte es möglich sein, dass man durch den Anblick des Büros eines Mannes, oder in diesem Fall seiner Bibliothek, sich in ihn verlieben konnte?
Das flackernde Kaminfeuer schien auf die goldenen Schriftzüge der Buchrücken, und mit einem Mal erinnerte sich Chloe an die juristische Bücherei der Universität und daran, dass sie mit einem Jurastudenten ausgegangen war. Sie hatte jahrelang, nein sogar jahrzehntelang, nicht mehr an ihn gedacht. Die beiden hatten miteinander geflirtet und den ganzen Abend gelernt, als er meinte, sie sollte etwas nachschlagen, woraufhin er, dort hinten zwischen den Regalen, das Buch in ihren Händen zumachte, es zurück in das nächstbeste Regal neben ihrer Hüfte stellte, sich gegen sie presste und ihren Mund mit seinem Mund öffnete. Er drückte sie gegen das Regal, während er ihr langsam den Rock hochschob, woraufhin sie erzitterte. Vielleicht war es das aufregende Gefühl, etwas Verbotenes zu tun. Vielleicht waren es die Bücher. Sie erinnerte sich, wie sie den Reißverschluss seiner Hose öffnete …
»Sie sind tatsächlich so ein Blaustrumpf, oder?«, fragte Grace.
»Oh ja, ich denke an nichts anderes als an Bücher.«
Was war damals nur in sie gefahren?
»Auf uns wartet ein Acht-Gänge-Menü mit einem umwerfenden Mann, aber Sie geraten beim Anblick einer Bibliothek ins Schwärmen!«
»Sie haben Recht. In einer Bibliothek passiert nie etwas Interessantes.«
Imogene lachte.
»Kommen Sie, meine Liebe«, sagte Mrs Crescent.
Chloe schüttelte ihre Erinnerungen ab. Es war, als hätte sie den Ausschnitt eines Films, den sie zwar kannte, aber völlig vergessen hatte, betrachtet.
»Schauen Sie sich nur diesen Wintergarten an«, fuhr Mrs Crescent fort, als sie sich in einem Raum befanden, dessen Höhe sich über zwei Stockwerke erstreckte. Palmen und naturbelassene Korbmöbel standen darin, und Kanarienvögel sangen in ihren Holzkäfigen, doch Chloe dachte nur an die Bibliothek. Sie gelangten in eine weitere Halle mit einer Kuppeldecke. Der Butler stellte sich vor eine Flügeltür aus Mahagoni, neben der rechts und links ein Diener stand, während die Kamerafrau sich Chloe näherte.
»Meine Damen, nehmen Sie sich einen Moment Zeit«, sagte der Butler. »Sobald wir durch diese Türen geschritten sind, befinden wir uns im purpurnen Salon. Eine Kutsche wartet draußen.
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