Rendezvous mit Mr Darcy
errichtete Gebäude strahlend da mit seinen zweigeschossigen Fenstern und dem gewaltigen neoklassizistischen dreieckigen Giebel, der auf dreigeschossigen ionischen Säulen ruhte. Trotz seiner kunstvoll verzierten Fassade wirkte das Haus klassisch und solide. Die Front erstreckte sich über mindestens zwei oder drei Wohnblöcke. Ein See lag an der Westseite und verlief bogenförmig um das Haus herum. Wäre es sonnig gewesen, hätte sich das Anwesen im Wasser gespiegelt. Sie hörte in ihrem Kopf fast die Jagdhörner ertönen. Der Anblick von Dartworth in der Ferne versetzte sie in einen Zustand des Rauschs oder zumindest der Euphorie, so wie die schon unzählige Male gesehene BBC -Verfilmung von Stolz und Vorurteil von 1995.
»Wie Pemberley«, murmelte Chloe.
Grace lachte und zerstörte damit fast den Zauber. »Es ist so groß wie Pemberley – beziehungsweise so eindrucksvoll wie Chatsworth oder Lyme Park. Es hat jedoch den Vorteil, dass es einem wirklichen, lebendigen Mann gehört.«
Dem Mann, der von acht wunderschönen, darunter auch ein paar intelligenten Frauen eine auswählen durfte.
So schnell wie der Anblick von Dartworth aufgetaucht war, verschwand er auch wieder hinter dem Kondenswasser, das sich auf dem Fenster neu gebildet hatte, als die Kutsche das Tal hinunterfuhr.
Grace schlug ihre Beine übereinander, eine der Trippen traf Chloe. »Ich bin neugierig, Miss Parker. Schwärmen Sie mittlerweile mehr für Mr Wrightman, jetzt da Sie sein riesiges Anwesen gesehen haben? Oder mochten Sie ihn bereits, bevor Sie wussten, wie viel er wert war?«
Chloe nahm erfreut zur Kenntnis, dass der mit Holunderbeere nachgezogene Augenbrauenstrich von Grace verschmiert war. »Ich mochte ihn, seitdem ich wusste, dass er gerne liest, Vögel beobachtet und Architektur mag. Mir gefällt, wie er nach der wahren Liebe sucht. Mir war nur nicht klar …«
»Ihnen war bisher nur nicht klar, wie sehr Sie ihn mögen.«
Chloe rutschte in ihrem Sitz hin und her. »So bin ich nicht.«
»Natürlich nicht. Keine von uns ist so«, meinte Grace. »Wenn Sie gerne lesen und Vögel beobachten, sollte ich Sie mit dem Einsiedler auf Dartworth bekannt machen. Ein sehr gut aussehender, gescheiter Mann. Ungefähr in Ihrem Alter. So um die vierzig, würde ich sagen. Ein Künstler, so wie Sie. Liebt die Natur. Bestimmt wären Sie von ihm begeistert. Jedoch lebt er nur in einer Hütte, die er sich aus Holzabfällen gebaut hat. Die Einsiedelei.«
»Er scheint ein äußerst charmanter Mann zu sein. Ich würde ihn gerne kennenlernen.«
Mrs Crescent klappte ihren Fächer auf. »Der Einsiedler ist nur zu unserer Unterhaltung hier, Miss Grace, und ist kein passender Gefährte für eine Dame – noch weniger für Miss Parker.«
»Heiraten? Ich werde nicht wie …« Sie hätte beinahe »wieder« gesagt.
Grace sah sie an und hob eine Augenbraue. »Weshalb sind Sie denn hier, Lady Grace?«, fragte Chloe und rutschte näher zum Fenster. »Vielleicht wegen der Diener? Diese scheinen sich stets gerne Ihrer Wünsche anzunehmen.« Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Und damit meine ich alle Wünsche.«
»So viele Diener«, antwortete Grace lächelnd, »und so wenig Zeit.«
Imogene schaltete sich in das Gespräch ein. »Ich hoffe, wir werden heute Abend wieder Zeit finden, Gedichte zu lesen, so wie vor ein paar Wochen. Das war wunderbar.«
Sie brauchten mehr als fünf Minuten, nur um in dem Regen mit ihren Trippen die Treppe zu Dartworth Hall hinaufzugehen. Die Steintreppen und die Treppenabsätze erinnerten sie an den Eingang eines Museums.
»Willkommen, meine Damen.« Der Butler von Dartworth Hall geleitete sie von einem Foyer aus Marmor, das so groß war wie das gesamte Erdgeschoss von Chloes Stadthaus, in eine dreigeschossige Halle mit Kuppeldecke. Aus den Zimmern strömte der Geruch herabbrennenden Bienenwachses. Allein die Kerzen für all die Kron- und Kerzenleuchter mussten ein Vermögen kosten. Ein blauer Himmel, Sonnenstrahlen und weiße Wolken zierten die Kuppeldecke. Das Haus übertraf jeden protzigen Prunkbau, in dem Chloe je gewesen war. Grace, Imogene und der Rest der Damen schienen unbeeindruckt zu sein, doch sie waren auch schon hier gewesen.
Ein Dienstmädchen erschien, nahm Grace schnell das nasse Cape ab, führte sie zu einem Sofa neben dem Kamin und streifte ihr die Trippen ab. Die weiße Straußenfeder ihres Kopfschmucks hing herunter. Noch mehr Dienstmädchen tauchten auf, zogen den Frauen die Mäntel aus und halfen ihnen
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