Rendezvous mit Mr Darcy
konnte ihn nicht sehen. Sie lief zu der Stelle, wo das Knurren herzukommen schien. Die Sohlen ihrer Schnürstiefel waren so dünn, dass sie den Kies darunter spürte.
»Fifi! Fifi! Komm her!« Ihre Haube fiel ihr auf die Schulter. Das weiße Umhängetuch verfing sich im Zweig einer Eibe.
»Miss Parker! Miss Parker!« Mrs Crescent rief sie von außerhalb des Heckenlabyrinths. »Retten Sie meinen kleinen Fifi! Schnell! Bevor er sich verletzt! Oh, Mr Wrightman – Gott sei Dank, Sie sind hier!«
Sebastian? Großartig. Er sollte an sich sie durch das Labyrinth jagen, nicht sie einen glubschäugigen Mops. Sie hörte Fifi weiter knurren und schnüffeln.
»Fifi! Fifi!« Chloe lief in eine Sackgasse nach der anderen, während die Regentropfen immer größer und der Regen immer stärker wurde.
Sie hörte Fifi jaulen, drehte sich um, spurtete los, lief um die Ecke und stieß geradewegs mit Mr Wrightman – dem jüngeren, mittellosen – zusammen.
»Ich wollte Sie schon gerne wieder treffen«, scherzte er und bot ihr eine Hand an, damit sie wieder ihr Gleichgewicht erlangte. »Aber nicht unbedingt so.«
Inzwischen regnete es noch heftiger.
»Hören Sie, ich hole den Hund. Sie gehen wieder zurück«, sagte Henry.
Fifi jaulte wieder, und Henry marschierte los.
Aber Chloe musste zu Fifi. Mit einem zerrissenen Schnürsenkel stolperte sie hinter ihm her, bis sie ihn endlich eingeholt hatte und erblickte, wie er seine Jacke über einen Knäuel aus Mops und Wiesel warf. Irgendwie schaffte er es, den Mops aus dem Wirrwarr von Körpern und Beinen herauszuziehen. Er steckte Fifi wie einen Fußball unter den Arm, während Blut, vermischt mit Erde, über den Rücken des Hundes lief. Fifi jaulte und winselte erbärmlich.
Chloe hatte das Gefühl, als würden sich die Nähte ihres Mieders unter ihrem weißen Kleid abzeichnen. Es klebte an ihren Beinen, wodurch ihre Strumpfbänder auf der Mitte der Oberschenkel sichtbar wurden.
Henrys Blick wanderte von ihrem Gesicht über ihren Hals und ihre Brüsten hinunter zu den Beinen – dann drehte er sich um, um zurückzugehen. »Folgen Sie mir nach draußen!«, sagte er in den strömenden Regen und ging voran. »Sollten Sie mich aus den Augen verlieren, legen Sie Ihre Hand links auf die Hecke und gehen an ihr entlang. Ich muss mich beeilen, um die Wunde von Fifi zu säubern und zu verbinden, bevor sie sich entzündet. Er ist ja voller Erde.«
Henry wusste nicht, dass ihr Schnürsenkel kaputt war. Während sie ihm und der Kameramann ihr folgte, lief ihr der Regen über das Gesicht hinunter und in den Mund. Er schmeckte süß und gleichzeitig salzig. Am Himmel blitzte es.
Innerhalb von wenigen Augenblicken verlor sie Henry aus den Augen und konnte ihre Stiefel nicht mehr auf dem Kies knirschen hören. Sie legte ihre nasse behandschuhte Hand links auf die Hecke. Zwischen den Hecken, die Chloe plötzlich größer und holziger erschienen und ihr leuchtendes Grün grauer, breitete sich Nebel aus. Chloe wurde von Gewissensbissen heimgesucht: Was ist das bloß für eine Mutter, die sich irgendwo am Ende der Welt in England in einem Heckenlabyrinth während eines Gewitters verirrt?
»Die Hand links. Die Hand links.«
Wasser lief ihr von den Fingerspitzen hinunter zum Ellenbogen, als wäre sie eine Regenrinne aus Fleisch und Blut. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie genau an dieser Stelle schon einmal vor fünf Minuten gewesen. Hatte sie sich etwa gerade im Kreis bewegt? Ihr fiel ein, was für eine hervorragende Erfindung das GPS doch war, und sie beschloss, sich eins zu kaufen, sobald sie wieder zu Hause wäre und es sich leisten könnte, denn sie hasste es, sich zu verirren und allein zu sein. Aber das zumindest war sie ja gar nicht.
Sie drehte sich um und schaute den Kameramann an. »Gut. Wie kommen wir hier heraus?«
Er antwortete nicht, sondern filmte einfach weiter.
»Sie müssen nichts sagen. Gehen Sie einfach nur voraus. Ich werde Ihnen folgen.«
Er rührte sich nicht vom Fleck.
»Mann!« Verzweifelt warf Chloe die Arme hoch.
Donner grollte, und die Hecken schienen in die Höhe zu wachsen. Links. Die linke Hand auf die Hecke , ermahnte sie sich. Ihre Finger schimmerten durch die Handschuhe hindurch. Nebelschwaden stiegen zwischen den Hecken auf, wodurch der Weg nur noch schemenhaft zu erkennen war. Sie stieß immer wieder auf die gleiche Sackgasse. Als der Regen nachließ, hörte sie auf zu zittern. Das Haar hing ihr auf die Schultern und war vom Wind zerzaust, der Saum ihres
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