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Rendezvous mit Rama

Rendezvous mit Rama

Titel: Rendezvous mit Rama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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ein Treppengeländer hinunterrutschen. In weniger als zwei Minuten waren sie sicher und bequem einen ganzen Kilometer tief >hinuntergestiegen<. Wenn immer sie das Gefühl hatten, dass es zu schnell wurde, genügte ein fester Griff um das Geländer, und sie hatten genug Bremskraft.
    »Ich hoffe, es hat euch Spaß gemacht«, rief Commander Norton, als sie die zweite Plattform betraten. »Die Kletterei zurück wird nicht ganz so leicht sein.«
    »Das möchte ich gern überprüfen«, antwortete Mercer, der gerade probehalber auf und ab ging, um die erhöhte Schwerkraft zu testen. »Es ist hier bereits ein zehntel g - man merkt wirklich den Unterschied.«
    Er ging - oder, genauer, er glitt - an den Rand der Plattform und richtete seine Helmstrahler auf die nächst niedere Sektion der Treppe. So weit sein Lichtstrahl reichte, schien es sich um die genaue Wiederholung der bereits über ihnen liegenden Treppe zu handeln - obgleich die sorgfältige Auswertung der Fotos gezeigt hatte, dass die Stufenhöhe mit wachsender Schwerkraft stetig abnahm. Die Treppe war offenbar so konstruiert, dass die zu ihrer Benutzung nötige Anstrengung an jedem Punkt ihrer langen geschwungenen Kurve in etwa konstant blieb.
    Mercer blinzelte zu der Nabe von Rama hinauf. Sie lag nun fast zwei Kilometer über ihm. Der schwache Lichtschimmer und die winzigen Schattengestalten davor wirkten erschreckend weit entfernt. Zum ersten Mal war er froh darüber, dass er diese gigantische Treppenkonstruktion nicht in ihrer gesamten Länge sehen konnte. Trotz seiner guten Nerven und seiner Fantasielosigkeit war er sich doch nicht sicher, wie er reagieren würde, wenn er sich wie ein Insekt vorkommen müsste, das auf der Oberfläche eines vertikalen Tellers von über sechzehn Kilometern Höhe herumkroch - wobei die obere Tellerhälfte über ihn herüberhing. Bisher hatte er sich über die Dunkelheit geärgert; in diesem Augenblick jedoch begrüßte er sie fast.
    »Keine Temperaturveränderung«, berichtete er Commander Norton. »Immer noch knapp unter Gefrierpunkt. Aber der Luftdruck ist gestiegen, wie wir erwartet haben: ungefähr dreihundert Millibar. Selbst bei diesem geringen Sauerstoffgehalt kann man fast darin atmen. Weiter unten wird es überhaupt keine Schwierigkeiten machen. Das wird uns die Exploration enorm erleichtern. Was für eine Entdeckung: die erste Welt, auf der wir uns ohne Sauerstoffgeräte bewegen können! Übrigens, ich werde da jetzt mal rein schnuppern.«
    Auf der Nabe machte Commander Norton eine leicht beunruhigte Bewegung. Aber wenn überhaupt einer seiner Männer, dann wusste Mercer ganz genau, was er tat. Er hatte bestimmt genügend Tests vorgenommen, um sicherzugehen.
    Mercer nahm den Druckausgleich vor, legte den Sicherheitshebel an seinem Helm herum und öffnete diesen einen Spalt breit. Er atmete vorsichtig ein, dann nahm er einen tieferen Atemzug.
    Die Luft in Rama wirkte tot und muffig, als käme sie aus einem so uralten Grab, dass die letzten Spuren des körperlichen Zerfalls bereits vor Äonen verschwunden waren. Selbst die überempfindliche Nase Mercers, die in jahrelanger Erprobung von Lebenserhaltungssystemen bis zum Katastrophenpunkt und darüber hinaus geeicht war, konnte keinerlei feststellbare Gerüche entdecken. Es gab einen schwachen metallischen Beigeschmack, und Mercer erinnerte sich plötzlich daran, dass die ersten Menschen auf dem Mond von einem Hauch von verbranntem Schießpulver gesprochen hatten, als sie das Mondmodul wieder unter Druck gesetzt hatten. Mercer stellte sich vor, dass die von Mondstaub geschwängerte Raumkapsel der Eagle in etwa so wie Rama gerochen haben müsse.
    Er schloss seinen Helm wieder und entließ die fremde Luft aus seinen Lungen. Sie hatte ihm keine lebenswichtige Hilfe bringen können: Selbst ein Bergsteiger, der dem Gipfel des Mount Everest akklimatisiert gewesen wäre, hätte hier sehr schnell sterben müssen. Doch ein paar Kilometerweiter unten würde die Sache völlig anders aussehen.
    Was gab es hier sonst noch zu tun? Ihm fiel nichts ein. Er genoss einfach die leichte ungewohnte Schwerkraft. Aber es hatte keinen Sinn, sich an sie zu gewöhnen, denn sie würden gleich in die Gewichtslosigkeit an der Nabe zurückkehren.
    »Wir kommen zurück, Skipper«, meldete er. »Kein Grund, noch weiter abzusteigen - bevor wir ganz runtergehen können.«
    »Einverstanden. Wir werden eure Zeit stoppen, aber macht langsam.«
    Während er die Stufen hinauf hüpfte, wobei er drei oder vier mit

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