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Rendezvous mit Rama

Rendezvous mit Rama

Titel: Rendezvous mit Rama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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alle ein paar Schritte zurück. Dann tauchten wie bei einer zauberhaften Verwandlung auf einer Bühne die Turmbauten New Yorks aus der Dunkelheit.
    Die Ähnlichkeit mit dem Manhattan der alten Zeit war natürlich recht oberflächlich; dieses in den Sternen geborene Echo der Erdvergangenheit besaß eine durchaus einzigartige und eigenständige Erscheinungsweise. Und je länger Dr. Ernst das Gebilde anstarrte, desto größer wurde ihre Gewissheit, dass es sich überhaupt nicht um eine Stadt handelte.
    Das echte New York war wie alle menschlichen Niederlassungen niemals vollendet worden; noch weniger war es planvoll gewesen. Dieser Ort dagegen besaß ein symmetrisches Gesamtmuster, wenn auch ein dermaßen kompliziertes, dass man es mit dem Verstand gar nicht erfassen konnte. Dies hier war von einer wachen und übernatürlichen Intelligenz entworfen und geplant worden - und vollendet worden - wie eine Maschine, die für einen bestimmten Zweck konstruiert ist. Wachstum oder nachträgliche Veränderungen waren ausgeschlossen.
    Der Kegel des Suchscheinwerfers glitt langsam über diese fernen Türme und Kuppeln, miteinander verbundenen Kugeln und einander überschneidenden Röhren. Zuweilen wurde das Licht grell von einer flachen Struktur zu ihnen zurückgeworfen. Das erste Mal waren alle drei verblüfft, es wirkte ganz so, als ob dort drüben auf jener seltsamen Insel jemand ihnen Signale sendete ...
    Aber es gab hier nichts zu sehen, was nicht bereits viel detaillierter auf den Fotos festgehalten war, die von der Nabe aus gemacht worden waren. Nach ein paar Minuten baten sie, den Scheinwerfer wieder auf ihren Trupp zu richten, und begannen den Klippenrand in östlicher Richtung entlangzugehen.
    Jemand hatte die einleuchtende Theorie aufgestellt, dass es irgendwo eine Treppe oder eine Rampe geben müsse, die zur See hinabführte. Und ein Mitglied der Besatzung, ein begeisterter Segler, hatte eine interessante Vermutung angestellt.
    »Wo ein Meer ist«, hatte Sergeant Ruby Barnes prophezeit, »da muss es auch Docks und Häfen geben - und Schiffe. Über eine Kultur kann man alles lernen, wenn man ihre Schiffsbaukunst studiert.« Die Kollegen hielten dies zwar für einen ziemlich bornierten Standpunkt, aber er wirkte zumindest anregend.
    Dr. Ernst wollte bereits die Suche aufgeben und den Abstieg per Seil anordnen, als Leutnant Rodrigo die schmale Treppe entdeckte. Man hätte sie in der Schattendunkelheit unterhalb der Klippe leicht übersehen können, denn es gab kein Leitgeländer oder sonst etwas, das auf ihr Vorhandensein hingedeutet hätte. Und sie schien kein bestimmtes Ziel zu haben: Sie führte die fünfzig Meter hohe senkrechte Wand hinab und verschwand in steilem Winkel unter der Oberfläche der See.
    Sie ließen ihre Helmlampen über die Treppe streichen, und da sie nichts entdeckten, was möglicherweise Gefahr bedeutet hätte, erbat Dr. Ernst von Commander Norton die Erlaubnis zum Abstieg. Eine Minute später tastete sie behutsam die Oberfläche der See ab.
    Ihr Fuß glitt nahezu reibungslos vor und zurück. Der Stoff fühlte sich genau an wie Eis. Und es war Eis.
    Als sie mit ihrem Hammer darauf einschlug, ergab sich das vertraute Muster von Sprüngen, die radial von der Aufprallstelle ausgingen, und Dr. Ernst konnte so viele Bruchstücke sammeln, wie sie wünschte. Einige waren bereits zerschmolzen, als sie den Probenbehälter dem Licht entgegenhielt; die Flüssigkeit wirkte wie leicht getrübtes Wasser; vorsichtig roch sie daran.
    »Ist das ungefährlich?«, rief Rodrigo mit einer Spur von Besorgnis in der Stimme zu ihr hinab.
    »Glauben Sie mir, Boris«, antwortete Dr. Ernst, »wenn es hier irgendwelche Pathogene gibt, die meinen Detektoren entgangen sind, dann sind unsere Versicherungspolicen bereits seit einer Woche wertlos.«
    Doch Boris' Warnung hatte etwas für sich. Trotz all der beruhigenden Teilergebnisse bestand noch immer ein minimales Risiko, dass dieser Stoff giftig sein oder irgendeine unbekannte Krankheit übertragen konnte. Normalerweise wäre Dr. Ernst noch nicht einmal dieses minimale Risiko eingegangen, aber jetzt drängte die Zeit, und Einsätze und Gewinne waren enorm hoch. Falls es nötig sein sollte, die Endeavour unter Quarantäne zu setzen, dann würde dies ein ziemlich geringer Preis sein für die Fülle an neuen Erkenntnissen.
    »Es ist Wasser, aber ich habe keine Lust, es zu trinken - schmeckt wie eine schief gelaufene Algenkultur. Ich kann es kaum erwarten, bis ich es im Labor

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