Rendezvous mit Rama
gar nicht anders.
Und Moskau und Rom ... «
»Verzeihung, Skipper. Blitzverbindung von der Erde.«
Was ist denn nun schon wieder?, fragte Norton sich. Kann man denn nicht einmal ein paar Minuten in Ruhe mit seinen Familien sprechen?
Er nahm dem Sergeant die Nachricht aus der Hand und überflog sie rasch, eigentlich nur, um sicherzugehen, dass sie nicht wirklich Dringliches enthielt. Dann las er sie nochmals, langsamer diesmal.
Was zum Teufel war das >Rama-Komitee Und warum hatte er nie etwas davon gehört? Er wusste, dass alle möglichen Vereinigungen, Gesellschaften und Berufsgruppen - manche davon mit ernstzunehmenden, andere mit komplett verrückten Zielen beständig versucht hatten, Kontakt zu ihm aufzunehmen; die Kontrollstation, die ihn stets sehr gut abschirmte, hätte diese Nachricht zweifellos nicht weitergeleitet, wenn sie sie nicht für wichtig gehalten hätte.
» Winde zweihundert km schnell - wahrscheinlich plötzliches auftreten « — nun, das war sicher bedenkenswert. Aber es fiel schwer, die Warnung in dieser vollkommen ruhigen Nacht allzu ernst zu nehmen; außerdem wäre es lächerlich, wenn sie wie erschreckte Mäuse davonliefen, jetzt, wo ihre Forschungen gerade erst erfolgreich zu werden versprachen.
Commander Norton strich sich das Haar aus der Stirn, das ihm schon wieder irgendwie über die Augen gefallen war. Dann hielt er wie erstarrt mitten in der Handbewegung inne.
Er hatte während der letzten Stunde tatsächlich mehrmals einen Windhauch verspürt. Es war ein so leichter gewesen, dass er ihn vollkommen unbeachtet gelassen hatte; schließlich war er Kapitän eines Raumschiffs, nicht eines Segelschiffs. Bis zu diesem Augenblick hatte die Luftbewegung für ihn keinerlei berufliches Interesse gehabt. Was würde jener seit langem tote Kapitän jener früheren Endeavour in einer solchen Lage wohl unternommen haben?
Diese Frage hatte sich Norton während der letzten paar Jahre in jedem kritischen Augenblick gestellt. Dies war sein ganz privates Geheimnis, er hatte es nie jemandem mitgeteilt. Und wie die meisten wirklich wichtigen Dinge im Leben hatte es sich ganz zufällig ergeben.
Er war bereits mehrere Monate lang Kapitän der Endeavour gewesen, bevor ihm aufging, dass sein Schiff nach einem der berühmtesten Schiffe der Geschichte benannt war. Sicher, es hatte während der vergangenen vierhundert Jahre ein Dutzend Endeavours gegeben, zur See und zwei sogar im Weltraum, aber ihrer aller Urahn war der 370-Tonnen-Whitby-Collier, den Kapitän James Cook von der Royal Navy zwischen 1768 und 1771 um die Welt gesegelt hatte.
Sein anfängliches Interesse hatte sich rasch in regelrechte Neugierde, ja beinahe Besessenheit verwandelt, und Norton hatte alles zu lesen begonnen, was er über Cook auftreiben konnte. Inzwischen war er wahrscheinlich die führende Autorität der ganzen Welt bezüglich dieses größten Forschungsreisenden aller Zeiten; er kannte ganze Kapitel seiner Tagebücher auswendig.
Norton erschien es noch immer unglaublich, wie ein einzelner Mann mit einer derartig primitiven Ausrüstung so viel hatte erreichen können. Aber Cook war nicht bloß ein überragender Navigator gewesen, sondern auch ein Wissenschaftler und - in einem Zeitalter grausamer Härte - ein Verfechter der Menschlichkeit. Er behandelte seine eigenen Leute freundlich, das war schon außergewöhnlich genug; was jedoch völlig unerhört war, er verhielt sich ebenso den oftmals feindlichen Wilden gegenüber in den neuen Ländern, die er entdeckte.
Es war Nortons stiller Traum, aber er wusste, dass er ihn wohl nie verwirklichen könnte, wenigstens eine der Reisen Cooks um die Welt nachzuvollziehen. Er hatte einen etwas unzureichenden, wenn auch spektakulären Anlauf dazu unternommen, der den großen Käpt'n sicherlich in Erstaunen versetzt hätte, als er einmal direkt über dem Great Barrier Reef eine Polarbahn anflog. Es war frühmorgens an einem klaren Tag gewesen, und aus vierhundert Kilometern Höhe hatte er eine hervorragende Sicht auf diese tödliche Korallenwand, die sich durch die weiße Gischtlinie längs der Küste von Queensland abzeichnete.
Er hatte nur knapp fünf Minuten gebraucht, um die ganzen zweitausend Kilometer Länge des Riffs zu überfliegen. Mit einem einzigen Blick vermochte er Wochen der gefahrvollen Fahrt jener ersten Endeavour zusammenzuraffen. Und durch das Teleskop erhaschte er einen Blick auf Cooktown und die Bucht, in der das Schiff nach dem fast katastrophalen Zusammenprall
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