Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rendezvous mit Rama

Rendezvous mit Rama

Titel: Rendezvous mit Rama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
Vom Netzwerk:
abzufangen. Das Manöver klappte so reibungslos, dass alle applaudierten.
    Jimmy beeilte sich, alles Lob abzuwehren.
    »Das war schlampig«, sagte er. »Aber jetzt weiß ich wenigstens, wie ich es anstellen muss. Ich nehme eine Haftbombe an einer Zwanzigmeterleine mit. Dann kann ich mich überall heranziehen, wo es mir passt.«
    »Ihren Puls, Jimmy«, befahl die Ärztin, »und pusten Sie in diese Tüte. Außerdem brauche ich eine Blutprobe. Hatten Sie irgendwelche Atembeschwerden?«
    »Nur in dieser Höhe. Hallo, wozu brauchen Sie denn eine Blutprobe?«
    »Blutzuckergehalt. Dann kann ich sagen, wie viel Energie Sie verbraucht haben. Wir müssen sichergehen, dass Sie genug Treibstoff für die Mission mitnehmen können. Was ist übrigens der Rekord im Dauer-Radfliegen?«
    »Zwei Stunden und fünfundzwanzig Minuten, drei Komma sechs Sekunden. Auf dem Mond natürlich - auf einer Strecke von zwei Kilometern in der Olympia-Kuppel.«
    »Und Sie glauben, Sie können es sechs Stunden durchhalten?«
    »Aber leicht, weil ich ja jederzeit eine Pause einlegen kann. Radfliegen auf dem Mond ist mindestens doppelt so hart als hier.«
    »Okay, Jimmy, marsch zurück ins Labor. Ich werde Ihnen Starterlaubnis oder Startverbot geben, sobald ich die Proben untersucht habe. Ich will Ihnen zwar keine falschen Hoffnungen machen, aber ich glaube, Sie können es schaffen.«
    Ein breites zufriedenes Lächeln breitete sich auf Jimmy Paks elfenbeinweißen Zähnen aus. Als er der Stabsärztin Kapitänleutnant Ernst zur Luftschleuse folgte, rief er zu seinen Gefährten zurück: »Lasst bitte die Finger davon! Ich will nicht, dass jemand seine Faust durch die Flügel steckt!«
    »Ich werde dafür sorgen, Jimmy«, versprach Commander Norton. »Die Libelle ist Sperrgebiet für alle - mich eingeschlossen.«

26 Die Stimme Ramas
    Wie groß sein Abenteuer wirklich war, das ging Jimmy Pak erst auf, als er die Küste der Zylindrischen See erreichte. Bisher hatte er über vertrautem Gelände geschwebt und hätte jederzeit sicher landen und in ein paar Stunden zur Basis zurückgehen können. Diese Möglichkeit bestand nun nicht mehr. Wenn er ins Meer stürzte, würde er wahrscheinlich in dem giftigen Wasser auf ziemlich unangenehme Weise ertrinken. Und selbst wenn er auf dem Südkontinent sicher landete, wäre eine Rettung vielleicht unmöglich, bevor die Endeavour sich von der auf die Sonne gerichteten Bahn Ramas absetzen musste.
    Er war sich auch völlig darüber im Klaren, dass die vorhersehbaren Katastrophen mit größter Wahrscheinlichkeit nicht eintreffen würden. Die völlig unbekannte Region, die er überfliegen würde, konnte indes mit allen möglichen Überraschungen aufwarten. Angenommen, es gab hier Flugwesen, die etwas gegen sein Eindringen hatten? Er würde sich nur ungern auf ein Gefecht mit einem Ding, das größer war als eine Taube, einlassen. Ein paar wohlgezielte Schnabelhiebe konnten die Aerodynamik der Libelle vernichten.
    Aber ohne Wagnis gab es eben auch keinen Erfolg - kein abenteuerliches Gefühl. Millionen Menschen hätten gern mit ihm getauscht in diesem Augenblick. Er betrat nicht nur Boden, der bisher von niemandem betreten worden war - sondern der auch von keinem mehr betreten werden würde. In der ganzen Menschheitsgeschichte sollte er das einzige menschliche Wesen sein, das die Südregionen Ramas besuchte. Das musste er sich immer klarmachen, wenn er die Furcht durch seine Gedanken streifen fühlte.
    Er war mittlerweile daran gewöhnt, mitten in der Luft zu hocken und die Welt um sich herum zu betrachten. Da er auf eine Position zwei Kilometer unter der Mittelachse herabgestiegen war, hatte er nun eine deutliche Orientierung nach >unten< und >oben<. Der Boden lag nur sechs Kilometer unter ihm, aber das Himmelsgewölbe stand zehn Kilometer über ihm. Die >City< von London hing dort oben nahe dem Zenit; New York dagegen stand aufrecht direkt vor ihm.
    »Libelle«, kam es von der Kontrollstation an der Nabe, »Sie geraten ein bisschen zu tief. Zweiundzwanzighundert Meter unter der Achse.«
    »Danke«, antwortete er. »Ich steige wieder. Sagt mir Bescheid, wenn ich wieder auf zwanzig bin.«
    Darauf würde er achten müssen. Es bestand der natürliche Trend, an Höhe zu verlieren - und er verfügte über keine Instrumente, von denen er hätte ablesen können, wo genau er sich befand. Wenn er sich von der Nullgravität an der Achse zu weit entfernte, würde er es vielleicht nicht wieder fertig bringen, dorthin zurück zu steigen.

Weitere Kostenlose Bücher