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Rendezvous mit Übermorgen

Rendezvous mit Übermorgen

Titel: Rendezvous mit Übermorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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er war sehr fest. Sie fürchtete, den Flügel zu verletzen, wenn sie mehr Kraft einsetzte. Sie griff in ihr MediPack und holte das Elektroskalpell heraus.
    Und sofort kam der andere Vogel auf sie zugestürzt und schnatterte und kreischte und erschreckte sie beinahe zu Tode. Er ließ nicht ab von ihr, und sie durfte erst weiterarbeiten, nachdem sie sich von dem Gefangenen entfernt und an einem Seilstück demonstriert hatte, wie das Skalpell funktionierte.
    Dann lief die Befreiungsoperation ganz glatt und rasch ab. Der Samtvogel stieg auf, und seine wohlklingenden beglückten Rufe schallten weithin durch New York. Der Partner mischte sich ebenfalls laut ein, und sie spielten und jauchzten, fast ein Turteltaubenpaar, hoch über dem Netzgeflecht. Wenig später flogen sie davon, und Nicole stieg vorsichtig wieder zu Boden ab.
    Nicole war stolz auf sich. Jetzt konnte sie wieder auf den Wall zurückkehren und auf ihre Rettung warten, die - wie sie inzwischen sicher glaubte - unmittelbar bevorstand. Also schritt sie nordwärts und sang dabei ein Volkslied von der Loire aus ihrer Jugendzeit.
    Aber ein paar Minuten später hatte sie erneut Gesellschaft. Genauer, sie hatte einen Führer. Jedes Mal wenn sie die falsche Richtung einschlagen wollte, veranstaltete der über ihr schwebende Samtvogel ein unglaubliches Gezeter. Und er hörte damit erst auf, wenn Nicole in die von ihm gewünschte Richtung ging. Bin mal neugierig, wohin wir gehen?, sagte sie zu sich.
    Im Plazabezirk, nicht weiter als vierzig Meter von dem Oktaeder entfernt, stieß der Vogel auf eine unauffällige Stelle des Metallbodens nieder. Er trommelte mehrmals mit den Greifklauen auf den Boden und schwebte dann über der Stelle. Ein Schutzdeckel oder dergleichen glitt beiseite, und das Flugwesen verschwand in der Plaza. Zweimal kehrte es zurück, rief etwas zu Nicole herüber und flog wieder hinab.
    Nicole verstand die Botschaft. Ich glaube, das ist eine Einladung, um die liebe Familie kennen zu lernen, sagte sie sich. Na, dann will ich mal hoffen, dass ich bei dem Fest nicht die Mahlzeit bin.

41 Ein wahrer Freund
    Nicole hatte keine Vorstellung, was sie erwarten würde. Aber sie empfand auch keine Furcht, als sie an das Loch im Boden trat und hineinspähte. Vielmehr war Neugier das in ihr vorherrschende Gefühl. Flüchtig sorgte sie sich, dass die Rettungsmannschaft eintreffen könnte, während sie den Untergrund erforschte, aber die würden schließlich später noch einmal zurückkommen, sagte sie sich.
    Der rechteckige Deckel war etwa zehn Meter lang und sechs Meter breit. Als der Vogel sah, dass Nicole auf seine Aufforderung einging, flog er in das Loch und wartete auf dem dritten Absatz. Nicole kauerte sich am Rand nieder und spähte hinab. In der Nähe sah sie etliche Lichter, und tiefer unten flackerten weitere. Die Tiefe des Schachts konnte sie nicht recht abschätzen, aber anscheinend betrug sie doch mehr als zwanzig oder dreißig Meter.
    Für den Angehörigen einer flugunfähigen Spezies war der Abstieg nicht einfach. Der vertikale Korridor - oder Schacht war im Wesentlichen ein großes Loch mit einer Reihe breiter Simse an den Wänden. Die Absätze waren alle genau gleich groß: etwa fünf Meter lang und einen Meter breit. Sie folgten einander in Abständen von ungefähr zwei Metern nach unten. Nicole würde sehr vorsichtig sein müssen. Die geringe Helligkeit in dem Schacht kam von der oberen Öffnung in der Plaza und von vereinzelten Laternen, die bei jedem vierten Absatz an den Wänden hingen. Die Leuchten steckten in transparenten Hüllen, die papierartig und sehr dünn aussahen. Jede Laterne enthielt eine kleine Flamme und eine Flüssigkeit, die Nicole für den Brennstoff hielt.
    Nicoles samtleibiger Freund verfolgte geduldig und wachsam den Abstieg. Er hielt sich stets drei Simse unter ihr. Sie hatte den Eindruck, dass er dies tat, um sie in der Luft abzufangen, falls sie ausgleiten sollte, doch wollte sie es lieber doch nicht auf eine Probe ankommen lassen. Ihr Gehirn lief auf Hochtouren. Inzwischen war sie zu dem sicheren Schluss gelangt, dass diese Wesen ganz definitiv keine Bioten sein konnten. Und dies bedeutete - sie waren eine fremde Art Lebewesen. Aber »die Ramaner« können sie auf keinen Fall sein, schloss sie logisch. Ihr technischer Entwicklungsstand entspricht überhaupt nicht dem des Raumschiffs.
    Aus dem Geschichtsunterricht fielen ihr die armseligen Mayas ein, denen die Conquistadores in Mexiko begegnet waren. Die spanischen

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