Rendezvous mit Übermorgen
gemocht.«
Elaine Brown hielt mit einer Hand ihren fast hysterischen Sohn fest, mit der anderen den Stiel ihres Glases. Auch wenn sie den missbilligenden Blick ihres Mannes nicht bemerkt hätte, die Szene hätte sie verunsichern müssen. Sie stürzte den Wein hinunter und stellte das Glas auf ein Bücherregal. »Nana, Justin, schon gut«, sagte sie und schaute dabei verlegen die anderen an, »jetzt sei schön still und erzähl Mammi, was los war.«
»Der schwarze Mann da mag mich nicht. Und ich mag ihn auch nicht. Und Wally hat das gemerkt und ihn deswegen gebissen. Wally beschützt mich immer.«
Jetzt wurde auch das Mädchen Angela etwas aufgeregt. »Ich hab es ja gewusst, dass sowas passieren würde. Während Mr. Wilson mit mir sprach, ist Justin andauernd in mein Zimmer gekommen und hat uns gestört und Mr. Wilson seine Spiele angeschleppt, seine Schmuseviecher, seine Trophäen, sogar seine Kleider. Am Ende hat Mr. Wilson ihn zurechtweisen müssen. Und als Nächstes erleben wir, dass Wally durchdreht, und Mr. Wilson muss sich gegen ihn verteidigen.«
»Sie ist 'ne Lügnerin, Mom. 'ne ganz große Lügnerin! Sag ihr, sie soll aufhören ...« Dr. Brown unterbrach ihn zornig. »Elaine«, schrie er über das Getöse hinweg, »schaff ... denda ... hier weg!« Und als seine
Frau den weinenden Kleinen ins Wohnzimmer zog, wandte er sich seiner Tochter zu. »Angela«, seine Wut war jetzt nackt und unverhohlen, »ich dachte, ich hätte dir befohlen, heute unter gar keinen Umständen Krach mit Justin anzufangen.«
Das Mädchen wich vor dem väterlichen Angriff zurück. Die Augen füllten sich mit Tränen. Angela wollte etwas sagen, doch Reggie Wilson schob sich zwischen sie und ihren Vater. »Entschuldigen Sie, Dr. Brown«, unterbrach er, »aber Angela hat wirklich überhaupt nichts getan. Ihre Angaben sind im wesentlichen korrekt. Sie ...«
»Hören Sie mal zu, Wilson«, sagte Brown scharf. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, ja? Ich bin durchaus in der Lage, mit meiner Familie selbst zurechtzukommen.« Er machte eine kurze Pause, um seinen Arger unter Kontrolle zu bekommen. Dann fuhr er in gedämpftem Ton fort: »Das ganze Durcheinander tut mir schrecklich leid, aber es wird sich in ein, zwei Minuten erledigen.« Der Blick auf seine Tochter war kalt und unfreundlich. »Du gehst zurück in dein Zimmer, Angela. Mit dir rede ich später noch. Ruf deine Mutter an und sag ihr, ich will, dass sie dich vor dem Abendessen abholt.«
Francesca Sabatini hatte die ganze Szene mit großem Interesse beobachtet. Sie sah Dr. Browns Frustriertheit ebenso wie die mangelnde Selbstsicherheit in Elaine. Das ist perfekt, dachte sie. Sogar noch besser, als ich es mir erhofft habe. Der Mann wird sehr leicht zu behandeln sein.
Der glatte silberne Zug glitt mit 250 Stundenkilometern durch die nordtexanische Landschaft. Minuten später tauchten am Horizont die Lichter des Dallas Transportation Complex auf. Der DTC bedeckte ein gigantisches Areal von fast 25 Quadratkilometern, und er war teils Flughafen, teils Bahnhof, zum Teil aber auch eine ganze kleine Stadt. Der ursprüngliche Plan und die Errichtung im Jahre 2185 hatten die Bewältigung des sich entfaltenden Langstrecken-Flugverkehrs und einen bequemen Transfer der Passagiere zu den Rapidzügen angestrebt, doch wie vergleichbare andere Transport-Zentren rund um den Globus hatte sich DTC zu einer Kleinstadt ausgewachsen. Über tausend Menschen, die größtenteils beim DTC beschäftigt waren und die ihr Leben bequemer fanden, wenn sie nicht als Pendler zur Arbeit und nach Hause fahren mussten, wohnten in den Apartments, die im Halbkreis um das Einkaufszentrum südlich vom Terminal lagen. Dort, im Hauptgebäude, waren vier Großhotels, siebzehn Restaurants und über hundert verschiedene Ladengeschäfte (darunter auch eine Filiale der eleganten Donatelli-Modeboutiquen).
»Damals war ich neunzehn«, sagte der junge Mann gerade zu Francesca, als der Zug sich dem Bahnhof näherte, »und meine Erziehung war sehr engstirnig und abgeschirmt. In den zehn Wochen mit Ihrem TV-Programm habe ich mehr über Liebe und Sexualität begriffen als in meinem ganzen Leben davor. Ich wollte Ihnen einfach nur danken für Ihre Serie.«
Francesca nahm die Komplimente huldvoll entgegen. Sie war es gewohnt, dass man sie in der Öffentlichkeit erkannte. Als der Zug stand und sie auf den Bahnsteig trat, lächelte sie dem jungen Mann und seiner Begleitung noch einmal zu. Reggie Wilson erbot sich, ihr die
Weitere Kostenlose Bücher