Rendezvous mit Übermorgen
hatte sich dafür entschieden gehabt, sich nur Nachrichten der Kategorie Priority One (Acute Emergency, Akuter Ernstfall) auf ihr Terminal in David Brownes Haus übermitteln zu lassen; die Aufzeichnung mit David nebst Familie musste an einem Tag stehen, und sie hatte das Risiko von Unterbrechungen und Verzögerungen möglichst klein halten wollen.
Es gab eine einzige Priority-Two-Nachricht von drei Minuten Dauer von Carlo Bianchi. Francesca zog die Brauen zusammen, gab dem Terminal den richtigen Code und schaltete den Video-Monitor an. Dort tauchte ein geschniegelter mediterraner Typ, nicht mehr ganz jung und in Apres-Ski-Kleidung auf einer Couch vor einem echten Kaminfeuer auf. »Buon giomo, cara«, grüßte er sie. Nachdem Signor Bianchi der Videokamera einen Rundschwenk durch den Salon seiner neuen Villa in Cortina d'Ampezzo erlaubt hatte, kam er sofort zur Sache. Warum sie sich denn weigere, in der Werbung für seine neue Sommerkollektion an Sportkleidung zu erscheinen? Seine Firma habe ihr eine unglaublich hohe Summe geboten und sogar den ganzen Werbefeldzug auf das Raumfahrt-Thema zurechtgeschnitten. Die Werbespots würden erst nach Beendigung des Newton-Starts ausgestrahlt, sodass sich also auch kein Interessenkonflikt zu ihren Abmachungen mit der ISA ergeben könne. Dann gestand Carlo ein, sie hätten zwar früher einige Differenzen gehabt, aber wenn es nach ihm ginge, sollte man diese viele Jahre alten Geschichten vergessen. Und er rechne binnen einer Woche mit ihrer Antwort
Ach, piss dich an, Carlo , dachte sie und war verblüfft über ihre heftige Reaktion. Es gab auf der Erde nur wenige Menschen, die sie durcheinanderbringen konnten, aber Carlo Bianchi war eben einer von ihnen. Sie tippte das Nötige ein, um ihrem Agenten, Darrell Bowman, in London eine Nachricht aufzuzeichnen: »Hi, Darrell. Hier ist Francesca in Dallas. Erklär diesem Frettchen Bianchi, dass ich bei seinen Spots nicht mitmachen würde, und wenn er mir zehn Millionen bieten würde. Ach, übrigens ist doch, wenn ich mich nicht irre, derzeit Donatelli seine Hauptkonkurrenz. Warum setzt ihr euch nicht mit der Werbechefin von denen in Verbindung, einer Gabriela Sound-so, ich habe sie mal in Milano getroffen, und lasst durchblicken, dass ich gern was für sie machen würde, sobald das Newton-Projekt erledigt ist. April oder Mai.« Sie machte eine kurze Pause. »Das wäre alles. Bin morgen Abend wieder daheim in Rom. Dicken Gruß an Heather.«
Die längste gespeicherte Nachricht kam von Alberto, Francescas Ehemann. Alberto, um die sechzig, hochgewachsen, ganz distinguierter Topmanager mit grauen Schläfen, leitete die Italiengruppe von Schmidt & Hagenest, des deutschen Multimedia-Konzerns, der unter anderem mehr als ein Drittel der freien Zeitungen und Zeitschriften Europas und zusätzlich noch die führenden kommerziellen Fernsehsender Deutschlands und Italiens beherrschte. Alberto trug bei seiner Teletransmission einen prachtvollen kohleschwarzen Anzugdress, saß in der Arbeitshöhle ihres Hauses und wärmte einen Cognac im Schwenker. Seine Stimme klang vertraut und beruhigend, doch es war eher die Stimme eines Vaters als die eines liebenden Ehegatten. Er sagte Francesca, dass ihr ausführliches Interview mit Otto Heilmann, dem Admiral, in den Tagesnachrichten über ganz Europa ausgestrahlt worden sei, dass er zwar ihre intelligenten Kommentare und ihren Scharfblick genossen habe, wie immer, dass er aber doch so das Gefühl habe, Otto habe sich dabei allzu stark als eitler Egomane entlarvt. Na und , dachte Francesca, schließlich ist er ja genau das! Aber er ist mir oft nützlich.
Alberto teilte ihr auch etliche erfreuliche Dinge über eins seiner Kinder mit (Francesca hatte drei Stiefkinder, sämtlich älter als sie), ehe er sagte, sie fehle ihm und er freue sich, sie am nächsten Abend wieder bei sich zu haben. Das tu ich auch, dachte Francesca, ehe sie die Nachricht beantwortete. Es ist so angenehm, das Leben mit dir. Ich hab meine Freiheit - und Sicherheit.
Vier Stunden später stand sie auf ihrem Balkon und blies den Rauch einer Zigarette in die kalte texanische Dezemberluft. Sie war warm eingehüllt, bis ans Kinn, in den dickflauschigen Hausmantel, der vom Hotel als Zimmerservice zur Verfügung gestellt wurde. Immerhin ist es hier nicht so widerlich wie in Kalifornien, sagte sie sich und zog den Rauch tief in die Lunge. In Texas haben wenigstens noch ein paar Hotels Raucherbalkone. Diese Fanati ker an der amerikanischen Westküste
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