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Rendezvous mit Übermorgen

Rendezvous mit Übermorgen

Titel: Rendezvous mit Übermorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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Belanglosigkeit etwas Unrichtiges behauptet hatte. Und als ich das immer wieder anbrachte, verpasste er mir plötzlich mit aller Kraft einen Fausthieb auf die Nase. Ich flog gegen die Wand und lag da, und aus meiner gebrochenen Nase schoss das Blut. Von diesem Tag an, bis ich vierzehn war und meinte, mich selbst verteidigen zu können, habe ich das Haus nie mehr betreten, wenn er daheim war, außer ich war sicher, dass auch meine Mutter dort war.«
    Nicole versuchte sich die Szene vorzustellen: Ein erwachsener Mann prügelt auf ein achtjähriges Kind ein. Was muss das für ein Mensch sein, der dem eigenen Kind die Nase zerschmettert?, fragte sie sich.
    »Ich war immer ziemlich schüchtern«, sprach Richard weiter. »Und ich hatte mir eingeredet, ich hätte die gesellschaftliche Unbeholfenheit meines Vaters geerbt, also hatte ich kaum gleichaltrige Freunde. Aber natürlich sehnte auch ich mich nach - menschlicher Gesellschaft.« Er schwieg und schaute gedankenverloren zu Nicole herüber. »Ich hab dann die Personen in den Shakespeare-Stücken zu meinen Freunden gemacht. Jeden Nachmittag las ich im Park irgendein Stück und stürzte mich kopfüber in seine Phantasiewelt. Ich lernte ganze Szenen auswendig. Und auf dem Heimweg sprach ich dann mit Romeo, oder mit Ariel oder Jacques.«
    Es fiel Nicole nicht besonders schwer, sich vorzustellen, wie Richards Geschichte weitergehen musste. Ich sehe dich, oh doch, als Jungen, halbwüchsig, dachte sie. Ein Einzelgänger, linkisch, mit Emotionalstaus. Die Shakespeare-Begeisterung eröffnete dir einen Fluchtweg aus der Leidenssituation. Alle Theater waren greifbar nahe für dich. Und auf der Bühne wurden deine Freunde für dich lebendig.
    Impulsiv beugte Nicole sich zu Richard hinüber und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Danke, dass Sie mir das gesagt haben.«
    Sobald es Tag war, gingen sie zu dem Netzgeflecht. Nicole sah mit Erstaunen, dass die Schnitte, die sie zur Befestigung ihres Vogelfreundes angebracht hatte, alle ausgebessert worden waren. Das Netz sah aus wie neu. »Anscheinend war der Reparaturbiot vom Dienst schon da«, bemerkte Richard, der nach all den Wundern, die er in Rama bereits gesehen hatte, nicht mehr besonders beeindruckt schien.
    Sie schnitten mehrere lange Stränge aus dem Gitter und strebten der Scheune zu. Unterwegs prüfte Richard die Elastizität des Materials. Er fand, dass es sich um etwa fünfzehn Prozent ausdehnen ließ und sich stets, wenn auch manchmal sehr langsam, auf die ursprüngliche Länge verkürzte. Die Restaurationszeit variierte bemerkenswert, je nach Dauer der vollen Ausdehnung des einzelnen Teiles. Als sie an der Scheune anlangten, hatte Richard bereits begonnen, die Innenstruktur des Strangs zu untersuchen.
    Nicole vergeudete keine Zeit. Sie band ein Ende des Netzmaterials an einem strunkähnlichen Objekt direkt vor dem Scheuneneingang fest und ließ sich hinab. Richards Funktion bestand darin, aufzupassen, dass nichts dazwischenkam, und im Notfall Hilfe zu leisten. Auf dem Grund angelangt überlief sie ein kurzer Schauder, als sie daran dachte, wie hilflos und verloren sie sich hier vor ein paar Tagen gefühlt hatte. Aber sie richtete ihre Aufmerksamkeit rasch auf ihr Vorhaben, indem sie eine ihrer medizinischen Sonden tief in die Manna-Melone stieß und mit dem anderen Ende an ihrem Rucksack befestigte. Der Aufstieg verlief glatt und ohne Unterbrechung.
    »Da.« Sie lächelte, als sie Richard die Melone überreichte. »Machen wir jetzt mit Plan A weiter?« »Roger«, sagte er. »Jetzt, wo wir wissen, wo wir unsere nächsten zehn Mahlzeiten hernehmen.«
    »Neun«, verbesserte ihn Nicole lachend. »Nachdem ich Sie ein paarmal beim Essen beobachtet habe, musste ich eine leichte Korrektur meiner geschätzten Zahl vornehmen.«
    Sie schritten rasch von der Scheune zur westlichen Plaza. Sie zogen im Zickzack über die freie Fläche und durchkämmten die schmalen Auffahrten ringsum, fanden jedoch nichts, womit sie ein Boot hätten bauen können. Allerdings hatte Nicole eine Begegnung mit einem Hundertfüßler-Bioten; mitten während ihrer Suche war einer auf die Plaza gekommen und hatte sie dann diagonal überquert. Richard hatte alles Mögliche versucht, den Bioten zum Halten zu bringen; er hatte sich quer vor ihn gelegt, ihn mit dem Rucksack auf den Kopf geschlagen ohne Erfolg. Als er wieder an Nicoles Seite zurückkehrte, lachte sie ihn aus. Erwirkte so enttäuscht.
    »Dieses Hundertbeinevieh ist absolut zu nichts

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