Rendezvous mit Übermorgen
wurde.
Er nickte. »Was studieren Sie denn da?«
»Das ist der Leitfaden für den Einsatz von Software«, antwortete Francesca. »David macht sich große Sorgen, dass wir ohne Wakefield nicht einmal mitkriegen, ob die Newton-Software richtig funktioniert oder nicht. Ich lerne gerade, wie man die autokontrolldiagnostischen Outputs interpretiert.«
»Hoppla.« O'Toole pfiff durch die Zähne. »Ist das nicht für einen Journalisten ein ziemlich dicker Brocken?«
»Ach, es ist eigentlich wirklich nicht dermaßen kompliziert.« Francesca lachte. »Außerdem ist alles äußerst logisch. Vielleicht werde ich mir als nächste Karriere was mit Computertechnik suchen.«
O'Toole machte sich ein Sandwich, zog sich einen Milchpack und gesellte sich zu Francesca an den Tisch. Sie legte ihm die Hand auf den Unterarm. »Da wir gerade von unseren künftigen Karrieren reden, Michael, haben Sie sich schon irgendwann mal Gedanken darüber gemacht, wie das bei Ihnen sein wird?«
Er blickte sie fragend an. »Was reden Sie denn da?«
»Lieber Freund, ich stecke da tief in dem üblichen berufsbedingten Dilemma. Meine Pflicht als Journalistin steht in direktem Widerspruch zu meinen Gefühlen.«
O'Toole hörte auf zu kauen. »Heilmann hat es Ihnen gesagt?«
Sie nickte. »Ich bin ja nicht dumm, Michael. Ich hätte es früher oder später auch selbst herausgefunden. Und es ist als News-Story eben ein gewaltig dicker Hund. Vielleicht sogar mit die beste Story von diesem ganzen Flug. Können Sie sich die Aufmacher in den Abendnachrichten vorstellen? >US-amerikanischer General weigert sich, den Befehl zur Zerstörung Ramas auszuführen ... Schalten Sie um fünf wieder ein«
Der General war in der Defensive. »Ich habe mich nicht geweigert. Nach dem Trinity-Aktionsplan brauche ich meinen Code erst einzugeben, nachdem die Waffen aus ihren Containern heraus sind ...«
»... und kurz bevor sie in die Transportkapseln gesteckt werden«, vollendete Francesca den Satz. »Und das wird in etwa achtzehn Stunden der Fall sein. Also morgen früh, wenn ich mich nicht verrechne ... Und ich habe vor, bei diesem historischen Ereignis dabei zu sein und es aufzuzeichnen.« Sie stand vom Tisch auf. »Und noch was, Michael, falls Sie sich da Gedanken machen, ich habe in keinem meiner Berichte Ihre Anfrage bei Norimoto erwähnt. Ich werde möglicherweise auf diese Ihre Kommunikation mit ihm in meinen Memoiren Bezug nehmen, aber die werde ich frühestens in fünf Jahren veröffentlichen.«
Francesca drehte sich noch einmal um und blickte OToole direkt in die Augen. »Lieber Freund, ist Ihnen klar, dass Sie über Nacht den Absturz vom internationalen Helden zum ... zum Penner riskieren? Ich hoffe, Sie haben bei Ihrer Entscheidung alle Konsequenzen berücksichtigt.«
55 Die Stimme Michaels
General O'Toole verbrachte den Nachmittag in seinem Quartier und verfolgte am Bildschirm, wie Tabori und Yamanaka den Abtransport der Atomwaffen vorbereiteten. Auf Grund seiner vorgeblichen Verdauungsbeschwerden war er von seiner Pflicht, die Waffensysteme zu kontrollieren, entbunden. Alles verlief erstaunlich glatt und beiläufig; keiner hätte dabei auf den Verdacht kommen können, dass dieses Zeug dazu bestimmt war, die großartigste technische Konstruktion zu vernichten, die der Menschheit je unter die Augen gekommen war.
Vor dem Essen rief der General noch seine Frau auf der Erde an. Die Newton näherte sich mittlerweile wieder rasch dem Planeten, und die Zeitverschiebung zwischen Sendung und Empfang sank unter drei Minuten. Die altvertrauten Zweier-Gespräche waren wieder möglich geworden. Seine Unterhaltung mit Kathleen verlief in herzlichem, wenn auch oberflächlichem Ton. Der General hatte sich kurz überlegt, ob er seiner Frau etwas von dem moralischen Zwiespalt sagen solle, in dem er sich befand, dann war ihm bewusst geworden, dass das Videophon ja nun wahrhaftig nicht abhörsicher war, und er hatte lieber darauf verzichtet. Also beschränkte man sich beiderseits darauf, freudige Begeisterung über die baldige Wiedervereinigung zur Schau zu stellen.
Das Abendessen nahm der General mit der übrigen Besatzung ein. Janos Tabori hatte einen seiner burlesken Anfälle und erheiterte die anderen durch seine Berichte über »meinen Nachmittag mit den Kullerchen«, wie er die Nuklearsprengsätze hartnäckig zu bezeichnen beliebte. »Einmal«, erläuterte er Francesca, die ununterbrochen lachte seit er zu quasseln begonnen hatte, »hatten wir die Kullerchen
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