Rendezvous mit Übermorgen
Befehl für die Zerstörung Ramas erteilt wurde. Nun, ich weiß, dass derartige Entscheidungen nicht leichtfertig gefällt werden und dass damit euch Leuten, wie besonders Ihnen selbst, eine weitreichende Verantwortung auferlegt ist. Dennoch bin ich aber sicher, dass diese Aktion richtig ist.
Bestimmt, Mann. Ich weiß , dass es richtig ist. Also, Sie kennen doch Courtney - meine Achtjährige - die wacht fast jede Nacht mit Albträumen aus dem Schlaf auf. Wir haben zugesehen wie ihr da droben alle versucht habt, dieses Bio-Ding einzufangen, das wie ein Krebs aussah, und es war echt grässlich. Also, und unsere Courtney weiß - das kam ja andauernd im Fernsehen -, dass Rama direkt auf die Erde zufliegt, und sie hat Angst. Entsetzliche Angst. Sie glaubt, unser ganzes Land wird von diesen Krebsdingern überschwemmt und sie und alle ihre Freunde werden dann zerstückelt genau wie dieser Journalist bei euch droben, dieser Wilson.
Ich erzähle Ihnen das alles nur, General, weil ich weiß, dass Sie vor einer großen Entscheidung stehen. Und weil ich so einiges Gerede gehört habe, dass Sie angeblich zögern, dieses homunkulöse Raumfahrzeug nebst aller seiner Pracht zu zerstören. Aber wissen Sie, General, ich habe meiner Courtney von Ihnen erzählt. Und ich hab ihr gesagt, dass Sie und Ihre Mannschaft Rama in Fetzen pusten werden, lang bevor es in die Nähe der Erde kommt ... Deswegen habe ich Sie angerufen. Um Ihnen zu sagen: Ich verlass mich auf Sie ... und Courtney auch.«
Vor dem Gespräch mit seinem Präsidenten hatte General OToole sich vorgestellt, er könnte die Gelegenheit benutzen und dem Führer des amerikanischen Volkes seinen Entscheidungszwiespalt vorlegen. Er hatte sich ausgemalt, dass er »Slugger« Bothwell mit der Frage auf den Pelz rücken könnte, wie es denn um die psychische Struktur einer Spezies bestellt sein müsse, die angesichts eines unwahrscheinlichen Risikos prompt nur ein Mittel findet: die Vernichtung. Doch nach der praktisch vollendeten kurzen Predigt des ehemaligen First-Baseman hatte es OToole die Sprache verschlagen. Wie hätte er sich einer derartigen Bitte verweigern können? Die Augen sämtlicher Courtney Bothwells auf dem ganzen Planeten waren hoffnungsvoll auf ihn gerichtet.
OToole erwachte nach fünfstündigem Schlaf um drei Uhr. Er war sich bewusst, dass er unweigerlich die wichtigste Entscheidung seines ganzen Lebens vor sich hatte. Er hatte das Gefühl, dass alles, was er bisher getan hatte - in seiner Karriere, mit seinen Religionsstunden, ja sogar im Familienleben nur Vorbereitung auf diesen Augenblick gewesen war. Gott hatte ihn vor eine kolossale Entscheidung gestellt. Doch - was erwartete Gott von ihm? Wie sollte er handeln? Ihm brach der Schweiß aus, und er kniete vor dem Bild des gekreuzigten Jesus nieder, das über seinem Computerterminal hing.
Lieber Gott, betete er und rang dabei die Hände, meine Stunde naht, und ich erkenne DEINEN Willen noch immer nicht deutlich. Es wäre für mich doch ganz leicht, meinen Befehlen zu gehorchen und zu tun, was sie alle von mir erwarten. Aber willst auch DU das? Wie finde ich Gewissheit?
Michael O'Toole schloss die Augen und betete um Erleuchtung mit einer inbrünstigen Glut wie nie zuvor in seinem Leben. Doch mitten im Gebet fiel ihm ein anderer Augenblick ein, ein Erlebnis vor vielen Jahren, als er als junger Pilot mit einer Friedenstruppe zeitweilig Dienst in Guatemala tat. OToole und seine Männer hatten sich eines Morgens auf ihrer kleinen Flugbasis im Dschungel völlig von den rechtsextremistischen Terroristen eingeschlossen gesehen, die versuchten, die halbflügge demokratische Regierung in die Knie zu zwingen. Die Umstürzler wollten die Flugzeuge. Als Gegenleistung boten sie OToole und seinen Männern einen sicheren, ungehinderten Abzug an.
Major OToole hatte eine Viertelstunde lang überlegt und gebetet, bevor er beschloss, die Sache durchzukämpfen. Bei dem folgenden Gefecht wurden die Flugzeuge zerstört und fast die Hälfte seiner Männer getötet, doch seine feste Haltung gegen den Terrorismus erlangte so etwas wie Symbolcharakter und stärkte der jungen Regierung den Rücken; ihr und vielen anderen in Mittelamerika in einer Zeit, in der die armen Länder sich verzweifelt mühten, die verheerenden Folgen der zwanzigjährigen Depression zu überwinden. Für seinen Einsatz in Guatemala hatte man OToole das Verdienstkreuz verliehen, die höchste militärische Auszeichnung, die das COG zu vergeben hatte.
Jetzt,
Weitere Kostenlose Bücher