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Rendezvous mit Übermorgen

Rendezvous mit Übermorgen

Titel: Rendezvous mit Übermorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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Zauber durch die Aste und das Laub.
    Sie trat ein paar Atemzüge lang Wasser auf der Stelle und suchte den Rand des Teichs nach ihren Kleidern ab. Sie konnte sie nicht entdecken. Verwirrt suchte sie genauer. Immer noch nichts. Sie rekonstruierte den Ablauf seit ihrem Eintreffen in der Waldoase Schritt für Schritt und wusste dann ganz genau, wo sie ihre Kleider und den Antilopenhautbeutel niedergelegt hatte. Sie stieg aus dem Wasser und untersuchte die Stelle genauer. Genau hier war es, dachte sie. Und meine Kleider und der Sack sind fort
    Es war unmöglich, die panische Angst zu unterdrücken. Sie brach würgend und plötzlich über sie herein. Ihre Augen schwammen in Tränen, aus ihrer Kehle löste sich ein Wimmern. Sie schloss die Augen und schluchzte und hoffte, dies alles möge nur ein schlimmer Traum sein, aus dem sie gleich aufwachen würde, und dann wären ihre Mutter und ihr Vater bei ihr. Aber als sie dann die Augen wieder aufmachte, war alles noch wie vorher. Da hockte sie, ein halbnacktes kleines Mädchen, im wilden Afrika, ohne Nahrung, ohne Wasser - und ohne Hoffnung auf Rettung bis zum nächsten Mittag. Und es war schon fast Nacht.
    Schließlich gelang es Nicole unter großer Mühe, ihre Tränen und ihre Angst unter Kontrolle zu bringen. Sie beschloss, nach ihren Kleidern zu suchen. An der Stelle, an der sie sie abgelegt hatte, entdeckte sie frische Spuren. Nicole konnte natürlich nicht wissen, was für ein Tier derartige Spuren hinterließ, also nahm sie an, es müsse eine von den sanften Antilopen gewesen sein, die sie am Nachmittag draußen in der Savanne gesehen hatte. Also, das könnte hinkommen , dachte sie logisch. Weil hier wahrscheinlich das beste Wasserloch in der ganzen Gegend ist. Die sind hergekommen, um zu trinken, und haben dann mein Zeug entdeckt und sind neugierig geworden. Und als ich dann so herumgeplanscht hab, muss ich sie verscheucht haben.
    Im schwächeren Abendlicht verfolgte sie die Spuren auf einem schmalen Pfad zwischen den Bäumen hindurch. Nach einem kurzen Treck fand sie die Antilopenhaut - oder was noch davon übrig war - neben dem Pfad. Von den Nahrungsmitteln war nichts mehr da, die Wasserflasche war fast leer, und außer den Salben und der Knolle war alles herausgefallen. Nicole trank die Flasche leer und nahm sie und die Knolle in die rechte Hand. Die ekligen klebrigen Salben ließ sie liegen. Gerade wollte sie auf dem Pfad weitergehen, als sie einen Laut hörte, halb Jaulen, halb Winseln. Es war sehr nahe. Fünfzig Meter weiter stieß der Pfad auf die offene Savanne. Nicole spähte angestrengt und meinte, eine Bewegung wahrzunehmen, konnte aber nichts Genaues erkennen. Dann hörte sie das Jaulen erneut, und diesmal lauter. Sie warf sich auf den Bauch und kroch langsam weiter.
    Fünfzehn Meter vor dem Rand der Baumoase war eine kleine Erhebung. Von da aus entdeckte Nicole, woher die Geräusche stammten: Zwei Löwenbabys spielten mit ihrem grünen Kleid. Die wachsame Löwin befand sich auf der anderen Seite und spähte in das Dämmerlicht über der Savanne hinaus. Nicole wurde vor Entsetzen ganz starr, als ihr bewusst wurde, dass sie ja nicht im Zoo Tiere hinter Gittern vor sich hatte, sondern wirklich mitten in der Wildnis war und dass eine wirkliche echte afrikanische Löwenmutter knapp zwanzig Meter von ihr entfernt lag. Zitternd vor Furcht schob sie sich sehr langsam und sehr leise auf dem Pfad zurück, um nicht auf sich aufmerksam zu machen.
    Als sie wieder am Teich angelangt war, musste sie den Impuls unterdrücken, pele-mele in die Savanne hinaus zu fliehen. Dann muss mich die Löwin ja bestimmt sehen , dachte sie. Aber wo sollte sie die Nacht verbringen? Ich werde mir eine Kuhle zwischen den Bäumen suchen , überlegte sie, weg von diesem Pfad. Und dort werde ich ganz still liegenbleiben. Vielleicht bin ich da in Sicherheit. Die Wasserflasche und die Knolle hielt sie immer noch fest umklammert, als sie leise zu dem Quellteich zurückschlich. Dort trank sie und füllte ihre Wasserflasche. Dann kroch sie zwischen die Bäume und entdeckte auch eine Vertiefung. Überzeugt, dass sie hier unter diesen Umstanden so sicher sei, wie es eben möglich war, schlief sie erschöpft ein.
    Sie schreckte mit dem plötzlichen Gefühl aus dem Schlaf, dass ihr Insekten über den ganzen Körper kröchen. Sie fuhr sich über den nackten Bauch. Er war bedeckt von Ameisen. Nicole schrie, ehe ihr klar wurde, was sie damit angerichtet hatte. Sie hörte, wie die Löwin blitzschnell

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