Rendezvous mit Übermorgen
Meinung über die Prioritäten waren, konnte es unmöglich zu einem Konsens kommen. Hinter ihnen waren die ganze Zeit über immer wieder auf dem Großmonitor Bilder der Raumkadetten und Admiral Heilmann bei der Arbeit im Rama-Inneren aufgetaucht. Im Augenblick sah man gerade Tabori und Turgenjew am Lagerplatz neben der Zylindersee. Sie hatten soeben das zweite Motorboot zusammengebaut und checkten dessen elektrische Hilfssysteme.
»... die einzelnen Einsatzabläufe sind sorgfältig vorgeplant«, las Takagishi, »entsprechend Mission Policies and Priorities Document ISA-NT-0014. Primärziele der ersten Aktion sind die Einrichtung technischer Infrastruktur und die Untersuchung des Inneren, wenigstens auf oberflächlichem Niveau. Von besonderer Bedeutung soll dabei die Erkennung irgendwelcher Charakteristika in Rama II sein, die sich in irgendwelcher Weise von dem ersten Raumschiff unterscheiden.
Der Einsatz #2 ist zur kartographischen Erfassung des Innern bestimmt, mit besonderer Konzentration auf vor siebzigJahren unerforscht gebliebene Regionen, aber ebenso die Erfassung der als Städte bezeichneten Bauten und irgendwelcher beim ersten Einsatz festgestellter Verschiedenheiten im Innern. Begegnungen mit Bioten werden beim zweiten Einsatz vermieden, wobei jedoch die Anwesenheit und Platzierung der unterschiedlichen Arten von Bioten Bestandteil des kartographischen Registrationsprozesses sein sollen.
Interaktionen mit den Bioten wird auf den dritten Einsatz verschoben. Erst nach sorgfältiger und ausgedehnter Beobachtung dürfen Versuche ...«
»Das genügt, Dr. Takagishi!«, unterbrach David Brown. »Wir haben alle das Wesentliche begriffen. Unseligerweise jedoch wurde dieses trockene Dokument Monate vor dem Start erarbeitet. Die Situation, mit der wir jetzt konfrontiert sind, ist dabei überhaupt nicht berücksichtigt. Wir haben es mit ein- und ausgeschalteter Beleuchtung zu tun. Und wir haben direkt am Südufer der Zylindersee einen Trupp von sechs Biotenkrebsen ausgemacht und verfolgen ihn nun.«
»Ich stimme nicht mit Ihnen überein«, sagte der Japaner achtungsvoll. »Sie selbst sagten, das unerwartete Beleuchtungsprofil stelle keinen fundamentalen Unterschied zwischen beiden Raumschiffen dar. Wir haben es nicht mit einem unbekannten Rama zu tun. Ich stelle den Antrag, dass wir die Einsätze gemäß dem ursprünglichen Missionsplan durchführen.«
»Sie stimmen also dafür, diesen ganzen zweiten Einsatz für kartographische Erfassung zu verschwenden, einschließlich oder gar mit Vorrang-einer Detailerforschung von New York?«
»Genau dies, General O'Toole! Selbst wenn man den Standpunkt vertritt, dass das >seltsame Geräuschs das die Kosmonauten Wakefield, Sabatini und ich hörten, keine offizielle >Verschiedenheit< darstellt, so bleibt doch die sorgfältige Kartographierung New Yorks eindeutig eine der vordringlichsten Prioritäten unter unseren Aktivitäten.
Und es ist entscheidend wichtig, dass wir diese Aufgabe bei diesem Einsatz erfüllen. Die Temperatur über der Zentralebene ist bereits auf minus 5 Grad gestiegen. Und Rama bringt uns der Sonne immer näher. Das Raumschiff erhitzt sich von außen nach innen. Ich prognostiziere, dass in drei, vier Tagen die Zylindersee vom Grund herauf zu schmelzen beginnt.«
Wieder unterbrach Brown grob. »Ich habe nie behauptet, dass die Erkundung New Yorks kein legitimes Planziel wäre, aber ich habe von allem Anfang an betont, dass die Bioten der wahre unschätzbare Fund dieser Reise für die Wissenschaft sind. So sehen Sie sich doch diese erstaunlichen Wesen nur an«, sagte er und ließ auf dem Zentralschirm den Film der sechs Krebsbioten ablaufen, die sich langsam über einen kahlen Landstrich der Südhälfte bewegten. Wir bekommen vielleicht nie wieder eine Gelegenheit, einen davon einzufangen. Die Drohnen haben fast den ganzen Halbzylinder erkundet, aber keine weiteren Bioten ausfindig gemacht.«
Die Übrigen, einschließlich Takagishi, starrten mit hingerissener Aufmerksamkeit zum Monitor. Die bizarre Anordnung von fremdartigen »Geschöpfen«, in Dreiecksformation, mit einem geringfügig größeren Exemplar an der Spitze, näherte sich einem wirren Haufen loser Metall teile. Der Leitkrebs drang direkt in das Hindernis ein, hielt kurz inne und begann dann mit seinen Scheren das Zeug auf dem Haufen noch weiter zu zerkleinern. Die beiden Krebse im zweiten Glied beförderten die Metallfragmente auf den Rücken der drei hintersten Bioten des Trupps. Dadurch
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