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Rendezvous um Mitternacht

Rendezvous um Mitternacht

Titel: Rendezvous um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Laurie
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Erschütterung meiner Energie.
    Diese Art von Druck verrät mir die Präsenz einer gestrandeten Seele. Es ist in etwa so, als spürte man mit geschlossenen Augen, wie einem jemand zu nahe kommt. Nur ist das Gefühl hundertmal stärker, und ich kann mich nicht einfach wegdrehen, wenn’s passiert.
    Ich habe dann zwei Möglichkeiten: mich dem Geist zuzuwenden und ihn telepathisch anzusprechen oder ihn zu ignorieren und zu hoffen, dass er verschwindet. Diesmal versuchte ich es mit Möglichkeit zwei – ich wollte heute nur noch einen Drink und dann im B&B in die Kissen fallen. Aber der Geist, der mich anstupste, ließ sich nicht abwimmeln.
    Nach dem ersten Schluck Wodka-Cranberry gab ich schließlich nach, öffnete mich und fragte gedanklich: Ich höre. Was musst du mir sagen?
    In der gleichen Sekunde hatte ich das Gefühl, etwas zerreiße mir förmlich die Brust, und mein Blick wurde zum Eingangsbereich gezogen, wo auf dem Boden ein dunkler Fleck zu sehen war. Ich stand auf und ging hinüber, um ihn mir genauer anzuschauen. Aus der Nähe sah ich vor meinem geistigen Auge einen Mann auf dem Boden liegen.
    Als ich zum Tisch zurückkehrte, musterten Gilley und Steven mich argwöhnisch. »Wer war der junge Mann, der dort ermordet wurde?«, fragte ich.
    »Was?« Steven blickte zu dem Fleck, auf den ich zeigte.
    »Dort in der Tür wurde ein junger Mann umgebracht. Erschossen, sagt er.«
    Stevens Augen weiteten sich. »Gibt es hier auch einen Geist?«
    »Daran müssen Sie sich gewöhnen«, erklärte Gilley. »Man kann davon ausgehen, dass in jedem Gebäude, das älter ist als fünfzig Jahre, etwas umgeht.«
    »Ich habe nie von einem Mord hier gehört«, sagte Steven.
    »Sein Name fängt mit L an«, gab ich weiter, was ich von dem Geist erfuhr. »Larry, wie bei den drei Stooges.«
    »Er nennt die drei Stooges?«, fragte Steven.
    »Sie kennen sie?«
    »Sicher. Ich habe sie in Argentinien und auch in Deutschland gesehen. Sie sind sehr spaßig.«
    »Finde ich auch«, sagte Gilley, der ihn verträumt ansah.
    »Was ich sagen wollte«, unterbrach ich, weil ich ihre Gedanken wieder bei dem Mord haben wollte. »Wenn er die drei Stooges kennt, muss er während der letzten 75 Jahre gelebt haben.«
    Da stand Steven auf einmal auf und ging zur Theke. Wir sahen zu, wie er dem Barkeeper winkte, kurz mit ihm sprach und auf unseren Tisch deutete.. Der Barkeeper nickte und verschwand durch die Tür zur Küche. Steven setzte sich wieder. »Der Besitzer heißt Chris. Seiner Familie gehört das Lokal schon über fünfzig Jahre.«
    Gleich darauf kam ein kleiner, überaus rundlicher Mann mit weißem Haar und Hamsterbacken zu uns. Er sah aus wie eines der Weebles-Stehaufmännchen, die ich als Kind besessen hatte. »Schön, dass Sie wieder hier sind, Dr. Sable«, sagte er. »Jeb meinte, Sie wollten mich etwas über die Geschichte der Bar fragen?«
    Von einem Moment auf den nächsten verzehnfachte sich der Druck des Geistes. »Wer wurde da getötet?«, platzte ich heraus.
    Chris’ milchig trübe Augen hefteten sich auf mich. »Wie bitte?«
    Ich zeigte auf die Stelle. »Dort, der alte Blutfleck. Jemand namens Larry wurde dort erschossen, nicht?«
    »Sind Sie Journalistin?«, blaffte er, plötzlich argwöhnisch.
    »Nein. Medium.«
    »Also doch von den Medien! Woher wissen Sie das mit Larry?«
    Ich lächelte. »Ich bin nicht vom Fernsehen. Ich bin jemand, der mit Toten sprechen kann. Und dieser Larry hat mir gerade gesagt, dass er hier in dieser Tür erschossen wurde.«
    Chris’ Unterkiefer sank ein wenig tiefer. Er blickte zwischen mir und Sable hin und her. »Soll das ein Witz sein?«, schnauzte er.
    »Nein. Ich habe es selbst erlebt. Sie kann wirklich mit den Toten sprechen.«
    Chris blieb stumm, vielleicht in der Erwartung, dass doch einer von uns über den gelungenen Scherz zu lachen anfing. Derweil empfing ich eine Nachricht von Larry. »Larry sagt, Sie hatten überlegt, den Boden erneuern zu lassen, aber das wird nichts nützen. Da wird immer eine dunkle Stelle bleiben.« Mit Nachdruck deutete ich auf den Blutfleck.
    Chris sah hin, dann wieder zu mir. Seine Augen verengten sich. Ich erwiderte den Blick ruhig und ernst. Darauf schien er einen Entschluss zu fassen. Er wandte sich ab und zog sich vom Nachbartisch einen Stuhl heran, auf den er sich fallen ließ.
    »Es war vor fünfundvierzig Jahren«, begann er zu erzählen. »Mein Dad hatte den Laden gerade gekauft. Da gab’s hier diese Punker-Clique, Rumtreiber und Nichtsnutze allesamt. Die

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