Rendezvous um Mitternacht
können, hatte ich mich keinem Zupfen, Ziehen, Stupser oder Stoß geöffnet, obwohl in manchen Räumen ganz schön an mir gezerrt worden war, am stärksten in Andrews Schlafzimmer sowie in einem der Gästezimmer, aber auch im Solarium und der Bibliothek hatte es mich ein paarmal gekribbelt.
»So, fertig«, sagte Gilley und trug den letzten Messwert ein. »Können wir jetzt was essen?«
»Ich glaube, wir haben keine Wahl«, stimmte Steven zu. »So oft, wie Sie schon danach gefragt haben, werden Sie noch eine Insulinspritze brauchen, wenn Sie nicht bald was bekommen.«
»Ich hab wirklich eine Tendenz zur Unterzuckerung«, verteidigte sich Gilley.
»Essen wir hier?«, fragte ich.
»Nein, ich habe einen anderen Vorschlag. Im Ort gibt es ein Restaurant, das ich sehr gern mag. Ist es in Ordnung, die Ausrüstung hierzulassen, oder sollen wir sie mitnehmen?«
»Lassen wir sie hier. Wir können zwei der Monitore aus dem Wagen reinbringen, um in der Zeit alles Ungewöhnliche aufzuzeichnen.«
Wie aufs Stichwort flammte das Licht im Zimmer auf.
»Huh«, sagte Gil, während wir alle zur Deckenlampe starrten. »Kommt«, er klemmte sich den Bleistift hinters Ohr, »holen wir die Monitore, bevor wir was verpassen.«
Zwanzig Minuten später, als die letzten Sonnenstrahlen die Wolken vor dem weiten Himmel purpurn erglühen ließen, waren die Geräte vor Ort und die Kamera aufnahmebereit. Gilley und ich kletterten in den Van. Steven kam noch an mein Fenster, ehe er in den Aston stieg. »Wollen Sie noch nach Ihrem Vogel sehen, bevor wir essen gehen?«
Ich lächelte über seine Aufmerksamkeit. »Nein. Danke. Doc hat reichlich Futter und Wasser, und der Käfig steht am Fenster, also kann er sich die Zeit mit Schauen vertreiben. Außerdem schläft er jetzt sowieso schon tief und fest.«
»Okay, dann folgen Sie mir einfach.«
Diesmal nahmen wir nicht den Weg zum Bed & Breakfast, sondern fuhren ans entgegengesetzte Ende des Ortes zu Annie’s Steakhouse. Gilley stellte den Wagen ab, und wir stiegen aus, um Steven am Eingang zu treffen. Auf dem Parkplatz stand eine graue Limousine, die mir bekannt vorkam. Ich blieb einen Augenblick davor stehen.
Gil wandte sich nach mir um. »Was ist?«
»Ich könnte schwören, das ist das Auto, das uns gestern überholt hat.«
Auch Gilley kam zurück und betrachtete den Wagen. »Das, von dem du dachtest, es würde Steven folgen?«
»Ja.«
»Hm, kein Wunder. Schau mal auf den Rahmen des Nummernschilds. Uphamshire Motors. Der ist hier zu Hause.«
»Oh.« Ich nickte. »Na gut, das erklärt alles. Komm, lass uns was zwischen die Zähne kriegen.«
Steven wartete an der Tür auf uns, und ich sah erstaunt, dass es eine Warteschlange gab. »Einen Moment«, sagte Steven und schlüpfte hinein. Einen Augenblick später kam er zurück und zwinkerte uns zu. »Dauert nicht lang«, sagte er zuversichtlich.
Und tatsächlich, keine fünf Minuten später wurde »Sable, drei Personen« nach drinnen gerufen, und wir bekamen einen Tisch.
»Wie haben Sie es geschafft, sich vor all diesen Leuten reinzumogeln?«, fragte ich.
Steven öffnete mit einem Lächeln seine Speisekarte. »Der Besitzer hat ein Herzleiden. Letztes Jahr kam er nach Berlin, und mein Team operierte ihn. Auf der Fahrt hierher habe ich ihn angerufen und gesagt, dass wir kommen und sehr hungrig sind.«
Schmunzelnd fing ich an, in der Speisekarte zu blättern, da spürte ich ein eisiges Kribbeln im Nacken. Ich schüttelte mich, aber das Kribbeln verschwand nicht. Schließlich sah ich mich um und bemerkte am anderen Ende des Restaurants einen ungemein gut aussehenden Herrn mit grauem Haar und intensiven blauen Augen, die wie tödliche Geschütze auf unseren Tisch gerichtet waren. Beunruhigt legte ich die Hand auf Stevens Arm.
»Ja?«, fragte er.
Ich sah den Mann gegenüber unverwandt an. »Wer ist das?«
Steven folgte meinem Blick. Es entstand eine Pause. Dann zischte er durch die Zähne und sagte etwas, was verdächtig nach einem deutschen Schimpfwort klang.
Erschrocken sahen Gilley und ich ihn an.
»Was ist?«, fragte ich.
»Oh mein Gott!«, japste Gilley. »Steven Sable ‚senior!«
Mein Blick schnellte dorthin. »Das ist nicht wahr!«
»Doch. Er ist es«, sagte Steven mit eisiger Stimme.
Sable senior saß mit einem zweiten Herrn am Tisch. Unser stummes Blickduell währte ein paar Augenblicke, dann sagte Sable etwas zu seinem Gegenüber, zog seine Geldbörse heraus und klatschte ein paar Scheine auf den Tisch. Gefolgt von dem
Weitere Kostenlose Bücher