Rendezvous um Mitternacht
Schwarzbrennerin weit und breit.«
»Ich bin immer noch verblüfft wegen der vierundzwanzig Morgen«, sagte Steven.
Mirabelle schwang sich das Gewehr über die Schulter. Bei der plötzlichen Bewegung zuckte ich zusammen. »Keine Angst, ich tue Ihnen nichts«, versprach sie leise lachend. »Kommen Sie doch herein, ich mache uns einen Tee und erkläre Ihnen alles langsam und ausführlich.« Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging voraus.
Ich sah Steven mit großen Augen an. »Meint sie das ernst?«
Er betrachtete sie einen Moment lang genau. »Scheint so.«
»Ich gehe nicht zu dieser Verrückten ins Haus!«, zischte ich möglichst leise, um diese wild gewordene Revolverheldin nicht in Wut zu bringen.
»Gut, dann erstatte ich dir später Bericht«, sagte er und marschierte der Frau hinterher.
Mir blieb der Mund offen stehen. »Verdammt! Ganz schlechte Idee, M. J.«, fluchte ich vor mich hin und eilte ihm nach. »Wenn ich in ihrem Kühlschrank auch nur einen Körperteil entdecke, verschwinde ich sofort!«, brummte ich, als ich ihn eingeholt hatte.
»Einverstanden«, sagte er gut gelaunt und wuschelte mir kurz durchs Haar.
Das Innere von Mirabelles Haus war im selben Stil gehalten wie das Äußere: helle, frühlinghafte Farben und Accessoires, ohne übertrieben zu wirken. Sie führte uns ins Wohnzimmer, das apfelgrün gestrichen war. Die Möbel waren aus dunklem Holz, die Polster bunt gemustert. Steven und ich nahmen nebeneinander auf der Couch Platz – er ganz gelassen, ich auf der Kante, um beim geringsten Anzeichen von Gefahr aufzuspringen.
»Kann ich Sie mit Earl Grey begeistern?«, fragte Mirabelle aus der Küche.
»Ja, gern«, antwortete Steven für uns beide. Mir flüsterte er zu: »Entspann dich doch.«
Ich blickte ihn finster an und blieb demonstrativ auf der Sitzkante hocken. Als ich den Blick durch den Raum schweifen ließ, war mir, als bewegte sich etwas in der Diele vor dem Wohnzimmer. In diesem Moment bemerkte ich, dass es in mir summte, und ich spürte den vertrauten Zug im Solarplexus. »Jemand ist hier«, sagte ich leise zu Steven.
Er sah mich völlig verwirrt an. »Hm?«
Ich antwortete nicht, sondern schloss die Augen und streckte meine Fühler nach der schattenhaften Gestalt aus, die ich in der Diele gesehen hatte. Hallo? Kannst du mich hören? Ich hin M.J., und ich will dir nichts tun. Ich würde nur gern deinen Namen wissen.
Mirabelles Mutter …
Meine Augen flogen auf. Ich starrte Steven an. »Maureen ist hier.«
Steven nickte. Dann beugte er sich vor und spähte in die Diele. »Ich dachte, sie sei im Jagdhaus?«
»Geister sind ziemlich beweglich. Außerdem ist es ja nicht weit weg.«
»Was ist nicht weit weg?« Mirabelle kam mit einem Tablett herein, auf dem eine dampfende Kanne Tee und eine Schale Kekse standen.
»Nichts«, sagte Steven und bedeutete mir mit einem Blick, still zu sein.
»Das Haus ist wunderschön«, sagte ich.
In mein Bewusstsein drang ein Danke.
Mirabelle bot erst mir, dann Steven Tee und Ingwerkekse an. »Ja, ist es. Und momentan anscheinend ziemlich gefragt.«
Steven nahm sich seinen Tee. »Wie bitte?«
»Der Makler im Ort sagt, er habe ein Pärchen aus New York an der Hand, die dafür, alles inklusive, eine fette Stange Geld hinlegen wollen.«
An dieser Bemerkung irritierte mich etwas. Ich dachte einen Augenblick nach, dann fragte ich: »Woher sollte jemand aus New York denn von diesem Grundstück wissen? Ich meine, es liegt doch ziemlich weitab vom Schuss.«
Mirabelle schnalzte kopfschüttelnd mit der Zunge. »Seit ungefähr einem Jahr verirren sich alle möglichen Auswärtigen hierher und schnüffeln hemm. Alle aus New York, und alle glauben, sie müssen nur mit der Geldbörse winken, dann tanzt das einfache Volk nach ihrer Pfeife. Als ich vorhin von meinem Spaziergang nach Hause kam, dachte ich, Sie sind auch so welche, und da beschloss ich, die gute, alte Flinte sei vielleicht die beste Methode, dieses Pack zu lehren, dass ich nicht gleich Pfötchen gebe, wenn mir jemand einen Schein vor die Nase hält.«
Damit war meine Frage nicht beantwortet. Ich wollte gerade nachhaken, da sagte Steven: »Sie wollten uns die Geschichte über das Schwarzbrennen und die Schenkung erzählen?«
»Ach ja.« Mirabelle ließ sich auf dem Sofa uns gegenüber nieder. »Wie meine Mutter und Ihr Großvater die Sache damals genau geregelt hatten, weiß ich nicht, weil das vor meiner Geburt war. Aber schon mit fünf habe ich meiner Mutter an den Destillen geholfen,
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