Rendezvous
begeistern
»Ich persönlich finde es todlangweilig«, sagte Augusta.
»Madam« , sagte Clarissa mit erstickter Stimme. »Ich muss Sie bitten, es zu unterlassen, meiner Schülerin einen derart falschen Eindruck zu vermitteln. «
»Unsinn. Ich bin sicher, dass jedes temperamentvolle Mädchen die Bücher meiner Tante als außerordentlich stumpfsinnig empfindet. All diese erdrückenden Vorschriften, wie man seinen Tee trinkt und wie man seinen Kuchen isst. Und all dieser Unsinn über angemessene Gesprächsthemen, zu denen man die entsprechenden Bemerkungen auswendig lernen soll. Sie müssen doch interessanteren Lehrstoff haben. Was ist das hier?« Augusta sah sich eine Reihe von schweren, ledergebundenen Wälzern an.
»Bücher über altgriechische und römische Geschichte«, sagte Clarissa und vermittelte ganz den Eindruck, als sei sie bereit, die Anwesenheit dieser Bände in ihrem Schulzimmer bis zum letzten Atemzug zu verteidigen.
»Ja, natürlich. Wenn man Graystones persönliche Interessen bedenkt, hätte ich erwarten können, dass eine beträchtliche Sammlung solcher Materialien hier vorhanden ist, oder nicht? Und dieses kleine Büchlein hier?« Sie hielt einen anderen Band hoch, der langweilig aussah.
»Natürlich Mangnalls Historische und verschiedene andere Fragen zum Gebrauch von jungen Menschen «, erwiderte Clarissa gereizt. »Ich bin sicher, selbst Sie werden mir darin zustimmen, dass dieses Buch äußerst angemessen für den Unterricht ist, Madam. Zweifellos sind Sie selbst danach unterrichtet worden. Meredith kann schon jetzt die Antworten auf viele der Fragen in diesem Buch auswendig aufsagen.«
»Da bin ich ganz sicher.« Augusta lächelte Meredith an. »Ich dagegen kann mich kaum noch an eine der Antworten erinnern, bis auf die eine, wo Muskatnüsse wachsen. Aber andererseits hat man mir immer wieder gesagt, ich neige zu frivolen Gedankengängen.«
»Ganz gewiss nicht, Madam«, sagte Clarissa mit gepresster Stimme. »Seine Lordschaft hätte niemals...« Sie ließ den Satz abreißen und lief dunkelrot an.
»Seine Lordschaft hätte niemals eine Frau von der frivolen Sorte geheiratet?« Augusta bedachte die ältere Frau herausfordernd mit einem forschenden Blick. »Ist es das, was Sie gerade sagen wollten, Miss Fleming?«
»Ich wollte nichts Dergleichen sagen. Ich dächte im Traum nicht daran, mich zu den persönlichen Angelegenheiten seiner Lordschaft zu äußern. «
»Machen Sie sich deshalb bloß keine Sorgen. Ich äußere mich ständig zu seinen persönlichen Angelegenheiten. Und ich kann Ihnen versichern, dass ich gelegentlich ganz entschieden oberflächlich und verantwortungslos sein kann. Zufällig bin ich gerade heute morgen dazu aufgelegt. Ich bin gekommen, um Meredith zu holen und mit ihr ein Picknick zu veranstalten.«
Meredith starrte sie voller Erstaunen an. »Ein Picknick?«
»Hättest du Lust darauf?« Augusta lächelte sie an.
Clarissa umklammerte ihre Schreibfeder so fest, dass ihre Knöchel weiß wurden. »Ich fürchte, das ist ganz und gar ausgeschlossen, Madam. Seine Lordschaft nimmt es mit Merediths Studien sehr genau. Sie dürfen unter gar keinen Umständen um eines leichtfertigen Zeitvertreibs willen gestört werden.«
Augusta zog die Augenbrauen zu einem milden Vorwurf hoch. »Ich bitte um Verzeihung, Miss Fleming. Zufällig bedarf ich nun einmal jemandes, der mich auf dem Gelände dieses Anwesens herumführt. Seine Lordschaft hat sich mit seinem Haushofmeister in der Bibliothek eingeschlossen, und daher habe ich Meredith gefragt, ob sie ihren Vater vertritt. Da wir eine Zeitlang unterwegs sein werden, habe ich die Köchin darum gebeten, uns einen Picknickkorb zu packen.«
Clarissa sah sie zweifelnd und voller Ablehnung an, doch ihr war offensichtlich allzu klar, dass sie nicht viel unternehmen konnte, solange ihr der Earl keine Rückendeckung gab. Und der Earl war, wie Augusta vorsorglich bereits hervorgehoben hatte, nicht ansprechbar.
»Also gut, Madam.« Clarissa nahm eine steife Haltung ein. »Meredith darf Sie heute morgen hier herumführen. Aber in Zukunft erwarte ich, dass der Alltagsablauf im Schulzimmer gewährleistet ist.« Ihre Augen funkelten warnend. »Und ich bin ganz sicher, dass mich seine Lordschaft in diesem Punkt unterstützen wird.«
»Zweifellos«, murmelte Augusta. Sie sah Meredith an, deren Gesichtsausdruck so unergründlich war, wie es der ihres Vaters gelegentlich sein konnte. »Sollen wir uns auf den Weg machen, Meredith?«
»Ja, Madam.
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