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Renegade

Renegade

Titel: Renegade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. A. Souders
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hinter sich. Ich weiß
allerdings nicht, ob er mich damit vor dem Mann oder diesem Anblick schützen
will. So oder so bin ich dankbar dafür. Ich drücke die Stirn an seinen Rücken.
Kein innerer Schalter, keine kühle Ruhe. Mein Magen hebt sich, und ich würde
mich gerne übergeben, wage es aber nicht, ein Geräusch zu machen. Gavin
signalisiert mir, zu verschwinden, aber ich stehe da wie angewurzelt, kann mich
einfach nicht bewegen. Ich kenne den Mann. Er ist einer der Wachen aus dem
Palasttrakt, der mir einmal dabei geholfen hat, Heilpflanzen in den medizinischen
Sektor zu bringen, bevor er nach Sektor Drei versetzt wurde.
    Auch Gavin kann
seinen Blick nicht von ihm abwenden, tastet nach mir und packt meinen Arm. Dann
zwickt er mich. Fest. Ich unterdrücke einen Aufschrei, aber der Schmerz wirkt
sofort: Mein Kopf wird klar, und ich drehe mich langsam um. Der Wachmann ist so
in das Zerfleischen seines Opfers versunken, dass er das Licht unserer
Taschenlampen seltsamerweise nicht bemerkt – wenn wir einfach wieder
zurückgehen, wird ihm vielleicht auch das nicht auffallen, und wir suchen uns
eben einen anderen Weg.
    Doch als ich mich
umdrehe, fällt der Lichtschein plötzlich auf einen weiteren, blutbesudelten
Mann, der vor mir steht. Ihn erkenne ich nicht, was meiner Angst aber auch egal
ist. Und als ich realisiere, wie nah er schon ist, muss ich all meine
Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht doch noch zu schreien.
    Gavin bemerkt
nicht, dass ich angehalten habe, prallt gegen mich und drängt mich voran,
sodass ich fast auf dem Fremden lande.
    Â»Evie, beweg dich«,
zischt Gavin.
    Â»Ich kann nicht«,
flüstere ich zurück.
    Â»Warum denn … « Er
sieht sich um, entdeckt den Mann und stößt einen deftigen Fluch aus. Da damit
eigentlich alles gesagt ist, bleibe ich stumm.
    Der Mann vor mir
rührt sich zwar nicht, lächelt aber schon die ganze Zeit. Nun fängt er auch
noch an, ein tonloses Lied zu singen. Und was er singt, jagt mir einen kalten
Schauer über den Rücken.
    Â 
    Â»Häschen
in der Grube
    saß
und schlief, saß und schlief.
    Armes
Häschen, bist du krank,
    dass
du nicht mehr hüpfen kannst?
    Armes
Häschen, bist du krank,
    dass
du nicht mehr hüpfen kannst?
    Häslein
hüpf! Häslein hüpf!«
    Â»Warum sagt er
das?«, flüstert Gavin entsetzt und beobachtet den regungslosen Mann aufmerksam.
    Â»Er singt«,
korrigiere ich ihn, obwohl ich weiß, dass ihm die Worte den Schreck einjagen,
nicht die Tatsache, dass der Mann singt.
    Â»Ich kenne dieses
Lied nicht.«
    Â»Es ist ein
bekanntes Kinderlied.«
    Â»Ich würde sagen:
ein verdammt gruseliges Kinderlied! Warum in aller Welt bringt ihr euren
Kindern so etwas bei?«
    Â»Das Häschen steht
für das Kind, das von den Oberflächenbewohnern ausgesetzt und zum Sterben zurückgelassen
wird. Zufrieden?«
    Â»Ã„h … nein,
eigentlich nicht. Und, was sollen wir tun?«
    Â»Häschen
in der Grube, saß und schlief …«
    Der Gesang ist
wirklich irritierend, ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Was wir tun
sollen? Gavin hat mir noch eine Frage gestellt, aber durch das laute Summen in
meinen Ohren verstehe ich ihn nicht.
    Â»Armes
Häschen, bist du krank …«
    Â»Evie, hast du einen
Plan?«
    Ich beginne zu
zittern, und mein Kopf droht zu explodieren – der Gesang wird lauter und
lauter, gleichzeitig dröhnt Gavins Stimme in meinen Ohren. Diesmal spüre ich
die Veränderung deutlich, meine Sicht verschwimmt kurz, und meine Nerven
kribbeln, als die Vollstreckerin in mir versucht, die Kontrolle zu übernehmen.
Das darf ich nicht zulassen! Diesmal nicht. Der Impuls ist seit dem letzten Mal
noch stärker geworden, und ich bin sicher: Wenn ich jetzt nachgebe, könnte ich
Gavin töten. Aber wenn ich es nicht tue, stirbt er vielleicht sowieso.
    Ich darf einfach die
Kontrolle nicht verlieren! Immerhin habe ich fast mein gesamtes Leben gegen die
Konditionierung angekämpft – vielleicht bin ich ja jetzt stark genug, um dabei
ich selbst zu bleiben. Ich kann das. Ich muss das können. Mir bleibt keine andere Wahl. Nur indem
ich die Vollstreckerin in mir erwecke, können wir diesen Monstern entkommen,
die uns umzingelt haben.
    Ich hole tief Luft,
schließe die Augen und lasse die Programmierung übernehmen. Der Schalter legt
sich vollends um, und ich weiß genau, was zu tun ist. Ich bin

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