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Renegade

Renegade

Titel: Renegade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. A. Souders
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schmatzenden Geräusch seiner Gummisohlen und seinem keuchenden
Atem kann ich erkennen, dass er immer noch hinter mir ist. »Ich habe mal
gehört, dass die Soldaten in Vietnam auch durchgedreht sind. Die haben Skalps
und Zähne und so etwas gesammelt«, erklärt er mir schließlich.
    Â»Vietnam?«
    Â»Nicht so wichtig …
Ich will damit nur sagen, dass Menschen viele verrückte Dinge tun, wenn man sie
nur genug unter Druck setzt. Ich würde allerdings wetten, dass durch die
Konditionierung das Risiko steigt, so irre zu werden«, fügt er mehr an sich
selbst gerichtet hinzu. »Als wäre das Gehirn aus Ton, den man beliebig formen
kann. Selbst zu einem Monster.«
    Endlich erreichen
wir die T-Kreuzung, die auf der Karte verzeichnet ist, und wenden uns nach
links. Auch dieser Korridor ist dunkel, doch ich bleibe aus einem ganz anderen
Grund plötzlich stehen. Reglose Körper, überall auf dem Boden. Ein schneller
Blick reicht mir, um festzustellen, dass die meisten von ihnen – wenn nicht
sogar alle – tatsächlich tot sind. Die meisten Leichen sind zerfetzt und ihre
Körperteile weit verstreut, als hätte ein Kind in einem Trotzanfall seine
Puppen zerstückelt. Und wenn ich an Nicks rohe Gewalt zurückdenke, bin ich mir
ziemlich sicher, dass es auch genau so abgelaufen ist.
    Â»Was ist das für ein
Geruch?«, fragt Gavin in der Dunkelheit. Ich höre ihn hinter mir würgen, doch
mein Magen erweist sich als erstaunlich robust. Ich spüre gar nichts. Nicht
einmal Trauer. Der Vorteil einer Vollstreckerin ,
denke ich. Vielleicht sollte ich dieses eine Mal dankbar sein für meine
Ausbildung.
    Â»Hier hat ein
Massaker stattgefunden. Halte dich einfach an mir fest«, weise ich Gavin an.
Der klammert sich an mein Kleid und lässt sich von mir an den Leichen
vorbeiführen. Stück für Stück arbeiten wir uns zwischen den leblosen Körpern
hindurch. Kaum haben wir sie hinter uns gelassen, lässt er sich zu Boden sinken
und drückt den Kopf auf die Knie. »Das muss ein schrecklicher Anblick gewesen
sein!«
    Er geht mir auf die
Nerven, doch ich lasse mir nichts anmerken. »Ja, das ist unschön, aber wir
müssen weiter. Hier herumzusitzen und zu flennen wird uns nicht weiterbringen.«
    Ãœberrascht blickt er
auf. »Wie bitte?«
    Sosehr ich es auch
versuche, ich kann mir die Antwort nicht verkneifen. Es ist fast so, als würde
jemand anders aus mir sprechen:
»Steh
auf, Oberflächenbewohner. Beweg dich. Wir haben keine Zeit für dieses Getue.«
    Â»Getue?« Er will
offenbar noch etwas sagen, hält sich aber zurück. Doch allein sein Blick sorgt
dafür, dass ich nach meiner Plasmapistole greife. Ich richte die Waffe auf ihn,
und es juckt mich in den Fingern, endlich abzudrücken. Gleichzeitig wünschte
ich, ich könnte das Gesagte zurücknehmen. Mir versagt die Stimme, also starre
ich ihn nur finster an.
    Gavin kann in der
Dunkelheit nicht sehen, dass ich die Waffe auf ihn gerichtet habe, deshalb
zieht er lediglich eine Braue hoch. In seinen Augen spiegeln sich jedoch so
viele Emotionen, dass ich endlich wieder zur Besinnung komme – die
Konditionierung verliert ihre Macht über mich. Abrupt lasse ich den Arm sinken
und schiebe die Plasmapistole zurück in meinen Gürtel. »Tut mir leid«, flüstere
ich. »Ich versuche ja … es ist nur … ich schaffe es nicht, okay? Ich kann mich
nicht kontrollieren. Du solltest gehen, sofort. Ohne mich, bevor ich endgültig
die Kontrolle verliere.«
    Ich schließe
verzweifelt die Augen, höre aber, wie er aufsteht. Dann erklingen seine
Schritte, und mir bricht fast das Herz. Er geht. Ich habe es endlich geschafft,
ihn von mir wegzutreiben.
    Doch dann zieht er
mich in seine Arme. Ich wehre mich dagegen, aber er hält mich fest. »Nein, mir
tut es leid, Evie. Ich weiß doch, dass nicht du es bist, die diese Sachen sagt.
Und ich werde nicht gehen. Wir stecken hier gemeinsam drin, schon vergessen?
Ich werde dich nicht verlassen, und du wirst mich nicht verlassen. Verstanden?«
    Â»Das alles hier ist
so schlimm«, erkläre ich ihm mit brechender Stimme. »So grauenhaft.« Die
Konditionierung beginnt schon wieder an mir zu zerren. »Ich schaffe das nicht
ohne meine Ausbildung. Ich muss ihr die Führung überlassen.«
    Â»Ich weiß. Wir
müssen einfach in Bewegung bleiben. Für diese Menschen können wir

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