Renegade
denken. Gerade ich sollte das wissen, schlieÃlich hast du mir ständig die
Show gestohlen: das Wunderkind. Hat alle Sprachtests mit Auszeichnung
bestanden, alle Trainingsrekorde gebrochen, erste Tötung im Alter von sechs.
Die kleine Miss Perfect.«
Gavin blickt
verwirrt zwischen uns hin und her. Er sagt zwar nichts, doch ich frage mich,
was er wohl gerade denkt. Ob er sich fragt, wie viel ich davon noch weiÃ. An
wie viel ich mich erinnern kann. Und warum ich ihm â falls ich mich erinnere â
nichts davon gesagt habe. Mit einem leichten Kopfschütteln vermittele ich ihm,
dass ich keine Ahnung habe, wovon sie spricht.
»Aber du warst doch
nicht so perfekt, nicht wahr?«, fährt Veronica fort. »Du warst ein Fehlschlag.«
Sie grinst mich triumphierend an. »Und ich habe deinen Platz eingenommen. Ich wurde Mutters neues Wunderkind. Und ich bin besser, als
du es je warst.«
Ich erwidere nichts,
da ich nicht weiÃ, was sie jetzt von mir erwartet.
»Willst du gar
nichts sagen?«, faucht sie.
»Was denn? Wie
verängstigt ich bin? Oder überrascht? Wütend? Was willst du von mir?«
»So viele Jahre habe
ich auf diesen Moment gewartet.« Enttäuscht drückt sie sich die Fäuste auf die
Stirn. »Und doch läuft es ganz und gar nicht so, wie ich es wollte. Es kümmert
dich nicht. Genau wie früher. Du interessierst dich nur für dich selbst, für
niemanden sonst.«
Ihre Worte erinnern
mich an das, was Macie gesagt hat: Mutter und Vater
vergöttern dich. In ihren Augen bist du unfehlbar ⦠Du interessierst dich nur
für dich selbst, für niemanden sonst ⦠Aber nun, nachdem dieser
Oberflächenbewohner aufgetaucht ist, zeigst du dein wahres Gesicht. Du bist
nichts als ein selbstsüchtiges, flatterhaftes, albernes kleines Mädchen.
Haben die beiden
recht? Bin ich wirklich so selbstsüchtig, dass ich dieses Mädchen nie bemerkt
habe?
Doch dann fällt mir
wieder ein, was mit Nick passiert ist, was Mutter mit ihm gemacht hat. Und was
sie mit den Männern gemacht hat, die wir getötet haben. Was sie mit mir gemacht
hat. Es liegt alles nur an ihrer Konditionierung.
»Nicht einmal jetzt
hörst du mir zu !«, kreischt Veronica und reiÃt mich
so aus meinen Ãberlegungen.
»Du hast recht«,
sage ich. »Ich bin selbstsüchtig.« Gavin runzelt die Stirn und sieht mich
fragend an, während Veronica irritiert den Kopf neigt, als hätte sie nicht ganz
verstanden, was ich gesagt habe. »Aber das bist du auch«, fahre ich fort. »Und
nur wegen Mutter sind wir so. Es ist die Konditionierung. Du denkst also, du
wärst ihr neues Wunderkind? Ihr Liebling? Vergiss es! Sie benutzt dich nur.
Genau wie sie mich benutzt hat.«
Veronica lacht
höhnisch. »Netter Versuch. Will er , dass du diesen
Unsinn glaubst?« Sie deutet mit dem Kopf auf Gavin. »SchlieÃlich ist er es
doch, der dich benutzt. Und jetzt erwartest du, dass ich ebenfalls auf seine
Lügen hereinfalle?« Wieder lacht sie. »Mutter hat mir alles erklärt â dass
deine Ausbildung fehlgeschlagen ist und nun dein wahres Ich zum Vorschein
kommt. Und dass du ohne die Konditionierung nichts als ein selbstsüchtiges,
flatterhaftes, albernes kleines Mädchen bist â¦Â«
Aber
nun, nachdem dieser Oberflächenbewohner aufgetaucht ist, zeigst du dein wahres
Gesicht. Du bist nichts als ein selbstsüchtiges, flatterhaftes, albernes
kleines Mädchen.
Langsam dämmert mir
etwas. Entsetzt reiÃe ich die Augen auf. Deshalb klingen die beiden so ähnlich
â auch Macie wurde konditioniert! Genau wie Veronica. Und Nick. Und ich.
»â¦Â Mutter hatte nur
dein Bestes im Sinn. Der Oberflächenbewohner ist derjenige, der dich ausnutzt.«
Gavin starrt das
Mädchen finster an. Als ich mich kurz zu ihm umdrehe, wirft er mir einen
besorgten Blick zu. »Nein, das tut er nicht«, protestiere ich. »Aber Mutter
benutzt dich. Und mich. Sie experimentiert mit der Konditionierung herum, und
es geht bei jedem schief! Sie ist dabei, die gesamte Stadt zu zerstören!«
Veronica schüttelt
vehement den Kopf. »Mutter hat schon vermutet, dass du so etwas behaupten
würdest. Hier wird gar nichts zerstört.«
»Wir haben es doch
gesehen«, mischt sich Gavin ein. »In diesem Sektor hier sind alle Bewohner
entweder tot oder das Ergebnis eines misslungenen Experiments. Die Leute
bringen sich
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