Renegade
aussuchen, was ihr machen
wollt? Und das stört euch gar nicht?«
»Warum sollte es?
Für das Wohl aller
müssen Opfer gebracht werden.«
»Ooookay. Ihr kriegt
also eure Berufungen, und dann bezahlt euch jemand dafür?«
»Ja, Mutter.«
Ungläubig starrt er
mich an. »Deine Mutter bezahlt sie alle? Wow, die muss ja einen Goldesel
haben.«
Entrüstet
verschränke ich die Arme vor der Brust und sehe ihn beleidigt an. »Ich bin
nicht blöd. So etwas wie einen Goldesel gibt es nicht.«
Er kichert kurz.
»Das ist nur so eine Redewendung.«
Ganz überzeugt mich
das nicht, aber ich fahre trotzdem fort: »Mutter ist unser Oberhaupt. Sie
entlohnt alle gemäà ihrer Berufung. Je nach Berufung und Familienstand bekommen
wir Quartiere, Nahrungsrationen und Credits zugeteilt, die wir dann ausgeben können.«
»Wenn ihr Nahrung
und Unterkunft bekommt, wozu braucht ihr dann noch Geld, ich meine, Credits?«
Ich kann mir ein
Seufzen nicht verkneifen. »Für zusätzliche Dinge wie Kleidung,
Freizeitvergnügungen oder den Basar, auf dem die Kunsthandwerker ihre Ware
verkaufen. Aber nicht jeder erhält Geld von unserem Oberhaupt. Wie du so schön
sagtest: Sie hat schlieÃlich keinen Goldesel.« Ich deute ein kleines Lächeln
an, das er prompt erwidert.
»Okay, und wer bekommt
nun Geld von ihr und wer nicht?«
»Na ja, eigentlich
alle auÃer den Kunsthandwerkern, da die ihre Waren verkaufen und damit ihr Geld
selbst verdienen. Mutter sagt, sie schaffen schönere Werke, wenn sie sich
Gedanken machen müssen, woher ihre Cre⦠ihr Geld kommt. Aber ansonsten ist das
bei uns vermutlich nicht viel anders als bei euch. Wir tauschen unsere Dienste
gegen das ein, was wir zum Leben brauchen. Du hingegen gehst auf die Jagd, um
dann Fleisch und Felle einzutauschen.«
»Stimmt.«
Nicht viel anders â
Mutter behauptet immer das absolute Gegenteil. Gavin und ich sehen uns an. Doch
eine Sache wäre da noch, eines ist definitiv anders.
»Und ⦠was meintest du mit Spaà ?«, hake ich nach.
Er nickt, und sein
Blick richtet sich in die Ferne, als hinge er einer uralten Erinnerung nach. »O
ja. Mein Bruder und ich â wir gehen meistens gemeinsam auf die Jagd â machen
manchmal einen Wettstreit draus, um zu sehen, wer mehr Beute erlegt.«
Entsetzt schlage ich
die Hand vor den Mund, und der Mörser landet klappernd auf dem Boden. Gavin
sieht mich verwirrt an.
»Das ist ja
schrecklich. Ihr tötet diese ganzen Tiere aus Spa� «
Ich wende den Blick von Gavin ab und konzentriere mich auf die Salbe, rühre
aber keinen Finger. Kopfschüttelnd blicke ich schlieÃlich hoch. »Mutter hat
also doch recht. Ihr seid nichts weiter als Barbaren.« Aus diesem Grund darf
ich ihm eigentlich nicht helfen, trotzdem fange ich plötzlich wieder an, die
Kräuter zu verarbeiten. Seine Geschichte ist eindeutig abstoÃend, er selbst
aber auch faszinierend.
Er beugt sich zu
mir. »Na und? Ihr bildet Killer aus. Das finde ich ziemlich barbarisch.« Auch
wenn er gelassen wirkt, macht sich eine Spannung in ihm bemerkbar, die vorher
nicht da war. Als würde er sich auf einen Kampf einstellen.
»Sie sind keine
Killer, sondern Vollstreckerinnen! Es ist ein Riesenunterschied, ob man aus
Spaà tötet oder um den Frieden zu bewahren.«
Gavin stützt sich
plötzlich auf dem Boden ab, um uns auf Augenhöhe zu bringen. Ich winde mich
verlegen, doch das ist ihm egal. »Wie kann es besser sein, Menschen
umzubringen, nur weil sie gegen Regeln verstoÃen? Bei uns stirbt kein Tier
umsonst: Wir verwenden alles, was es uns bietet, auch wenn wir einen Sport
daraus machen.«
Krampfhaft
umklammere ich den StöÃel. »Aber wir müssen den Frieden bewahren«, fauche ich.
»Für das Wohl aller
müssen Opfer gebracht werden.«
Seine Augen funkeln
wütend. »Und damit wir leben und essen können, müssen
ebenfalls Opfer gebracht werden!«
Zornig nehme ich die
Salbe und verteile sie auf seinem Rücken. Als Gavin aufstöhnt, zwinge ich mich,
sie sanfter aufzutragen. Ich weigere mich zwar, weiter mit ihm zu reden, aber
ein kleiner Teil von mir weiÃ, dass er nicht ganz unrecht hat.
Wir töten, um unsere
Lebensweise zu erhalten. Sie töten, um zu überleben. Wer ist also der Barbar?
Ich muss zugeben, dass wohl wir das sind. Immerhin essen sie die Tiere, die sie
töten, und
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