Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Renegade

Renegade

Titel: Renegade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. A. Souders
Vom Netzwerk:
ziehen so einen Nutzen aus ihrem Tod. Und was tun wir? Wir
verbrennen lediglich die Leichen.
    Diese unerwarteten
Erkenntnisse machen mich nachdenklich.
    Als ich Gavins
Rücken komplett mit der Salbe bedeckt habe, packe ich meine Sachen wieder
zusammen und sehe mich nach den Wachen um. Die Vollstreckerin ist weg. Das
nehme ich erleichtert zur Kenntnis, frage mich aber gleichzeitig, warum sie
überhaupt hier war. Wohl nicht, um die Wachen zu unterstützen … Ich drehe mich
so, dass mein Körper sich zwischen Gavin und der Kamera befindet.
Man kann nie vorsichtig
genug sein. Lieber auf Nummer sicher gehen.
Das habe ich von
Mutter gelernt.
    Ich übergebe Gavin
den Erste-Hilfe-Kasten und beuge mich dabei weit genug vor, um ihm ins Ohr
flüstern zu können. Von Weitem sieht es allerdings so aus, als würde ich
einfach nur das Ergebnis meiner Bemühungen kontrollieren. Als er meine Stimme
hört, zuckt er kurz zusammen. »Hier drin sind einige haltbare Lebensmittel.
Kein Gourmetessen, aber etwas anderes konnte ich nicht finden, ohne von Mutter
erwischt zu werden«, erkläre ich ihm. Als ich mich aufrichten will, packt er
meine Hand. Kleine Stromstöße jagen durch meinen Arm. Panisch entziehe ich mich
ihm, und mein Herz beginnt zu rasen.
Körperkontakt zwischen Nicht-Verpaarten ist verboten.
    Genau deswegen
dürfen Nicht-Verpaarte sich wohl nicht berühren: Es fühlt sich komisch an. Und
trotzdem kommt es mir irgendwie vertraut vor. Warum nur? Wenn einer meiner
früheren Verehrer mich versehentlich berührte, hat sich das nie so angefühlt.
    Â»Verstößt du gegen
das Gesetz, wenn du mir das gibst?«, fragt er leise, aber sicherlich nur, weil
er nicht will, dass ich Schwierigkeiten bekomme. Sollte ich sterben, wird ihm
niemand mehr helfen. Oberflächenbewohner hin oder her, dumm ist er jedenfalls
nicht.
    Ich schiebe meine
Utensilien zurück in die kleine Tasche, in der ich sie transportiert habe, und
versuche, das Kribbeln in meinem Bauch zu ignorieren. »Nein. Allerdings wäre
Mutter darüber auch nicht gerade begeistert.«
    Er sieht mich ernst
an. »Ich weiß wirklich zu schätzen, was du für mich tust. Du hättest mich hier
auch einfach verrotten lassen können. Letzten Endes hätte ich dir
wahrscheinlich so oder so die Antworten geliefert, die du brauchtest.«
    Â»Ich weiß.« Nach
einem kurzen Zögern beschließe ich, es auszusprechen: »Ich will dir einfach
helfen.«
    Prüfend mustert er
mich. »Warum?«
    Ich hole tief Luft.
Ja, warum helfe ich ihm eigentlich? Pflichtbewusste
Wohltätigkeit erstreckt sich doch nicht auch auf Oberflächenbewohner, oder?
»Ich weiß es nicht. Ich … ich will es einfach.«
    Bevor er etwas
erwidern kann, öffnet sich die Zellentür, und ein Wachmann winkt mich zu sich.
Mutter wartet auf mich hinter der Glaswand. Ihre Anwesenheit hat bestimmt
nichts Gutes zu bedeuten. Unter normalen Umständen würde sie es niemals
riskieren, an den Selbstschussanlagen vorbeizugehen.
    Ich drehe mich noch
einmal zu Gavin um, achte aber darauf, dass man mir die Angst nicht ansieht. Er
soll nicht merken, dass etwas nicht stimmt. »Meine Pflicht hier ist erfüllt.
Wenn es nötig sein sollte, komme ich wieder.«
    Er nickt, scheint
aber enttäuscht zu sein.
    Ich verlasse die
Zelle und schließe die Tür hinter mir. Dann nehme ich mir eine Sekunde Zeit, um
mich zu beruhigen, bevor ich Mutter unter die Augen trete.

Wir
alle sind Mutters Kinder. Es ist uns eine
Ehre, ihr zu zeigen, wie bedingungslos wir
ihre Gesetze befolgen.
    Inschrift
auf einer Säule auf dem Großen Platz, Sektor Zwei –
    Mutter
steht direkt vor mir, genauer gesagt ihr Hologramm. Von der Zelle aus habe ich
es nicht erkannt, aber jetzt zeigt es sich deutlich: Ihr Umriss flackert
leicht, und hinter ihrem durchscheinenden Körper sieht man die Steinmauer. Sie
hat es also doch nicht riskiert, die Selbstschussanlagen zu passieren. Ich
sollte mich dadurch wohl besser fühlen, aber es funktioniert nicht. In ihren
Augen flackert eine Wut, wie ich sie bei ihr noch nie gesehen habe.
    Â»Was denkst du dir
eigentlich?« Sie durchbohrt mich mit ihrem Blick, als könnte sie meine tiefsten
Geheimnisse entdecken. Ihre Stimme klingt blechern und hallt in dem großen Raum
wider.
    Â»Ich weiß nicht, was
du meinst.« Mühsam gelingt es mir, ihrem Blick standzuhalten und mich nicht
schuldbewusst zu

Weitere Kostenlose Bücher