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Renegade

Renegade

Titel: Renegade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. A. Souders
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diesem Moment wünsche ich mir, mein Garten
befände sich nicht im obersten der drei Stockwerke des Palasts, doch daran
lässt sich jetzt nun einmal nichts ändern. Schließlich erreichen wir den
Korridor, der in meinen Garten mündet, doch bevor ich Gavin die Führung
überlasse, bleibe ich noch einmal stehen und signalisiere ihm, kurz zu warten.
Wir müssen noch am Eingang zu den Familienquartieren vorbei, und ich will
nicht, dass uns kurz vor dem Ziel jemand hört. Also ziehe ich mir vorsichtig
die hohen Stiefel aus.
    Als ich mich wieder
aufrichte, bemerke ich den verwunderten Blick, mit dem Gavin mich mustert. »Was
ist los?«
    Er flucht leise und
schüttelt dann den Kopf. »Nichts.« Mit schnellen Schritten geht er an mir vorbei,
und ich muss mich beeilen, um ihn einzuholen.
    Ungefähr zweihundert
Meter vor dem Zugang zum Garten befindet sich ein ungefähr fünf mal fünf Meter
großer Alkoven. Dort hängt eine Kamera von der Decke, sie ist allerdings nicht
auf den Korridor ausgerichtet, sondern auf einen Wandschrank, in dem sich
eigentlich die Elektronik der Überwachungsanlage befindet.
    Â»Das ist sie.« Gavin
deutet mit dem Kopf auf die Tür des Wandschranks. Seine Haltung ist angespannt,
und immer wieder blickt er über die Schulter. Vielleicht traut er mir doch
nicht.
    Â»Bist du sicher? Das
ist doch nur ein Schrank. Davon gibt es hier Dutzende.«
    Â»Ich bin sicher.« Er
zeigt auf die dunklen Flecken an Wand und Boden – Blut.
    Ãœberrascht starre
ich auf die verblichenen Flecken. Offenbar gelang es dem Personal nicht, sie
gänzlich zu beseitigen und die geheime Tür damit in ihren Urzustand
zurückzuversetzen.
    Dabei wird mir klar,
dass Mutter längst wusste, wie Gavin hereingekommen ist – schließlich hat sie
angeordnet, den Alkoven zu reinigen. Warum also diese Geheimniskrämerei? Und
die Befragungen? Dafür kann es nur einen Grund geben: Sie wollte prüfen, warum
ich mich so für ihn interessiere.
    Plötzlich werde ich
durch ein Funkeln abgelenkt und entdecke einen kleinen silbernen Ring auf dem
Boden. Er erinnert mich an einen Ohrring. Ich hebe ihn auf und zeige ihn Gavin,
der ihn bedrückt ansieht. »Der gehört Con«, sagt er schließlich und nimmt mir
das Schmuckstück aus der Hand.
    Â»Deinem Freund?«
    Â»Ja.«
    Erstaunt hebe ich
eine Augenbraue. »Er hat Schmuck getragen?«
    Ein trauriges
Lächeln huscht über Gavins Gesicht, und er steckt den Ohrring ein. »Ja.«
    Â»Verstehe«, sage
ich, doch ich verstehe gar nichts. Warum sollte ein Mann Schmuck tragen? Aber
das ist jetzt unwichtig. Ich drücke meine Hand auf die Glasplatte neben der
Schranktür. Ein rotes Licht erscheint und streicht über meine Handfläche.
Anschließend öffnet sich das Schloss mit einem leisen Klicken, und ich ziehe
die Tür auf.
    Gavin hat recht. Das
hier ist bestimmt kein einfacher Wandschrank, aber er wird uns auch nichts
nützen: Direkt vor uns ragt eine schmutzige Ziegelmauer auf und versperrt uns
den Weg. Offensichtlich wusste Mutter, was ich vorhabe. Sie hat den Zugang
blockiert – und damit Gavins einzigen Fluchtweg.

Unterschiede
sind die Wurzel allen Übels.
    Dementsprechend müssen alle Unterschiede
ausgemerzt werden – koste es, was es wolle.
    Mutters
Tagebuch, Seite 176 –
    Natürlich
wusste sie es, die ganze Zeit. Sie hat nur Spielchen mit mir gespielt und
wollte herausfinden, warum ich ihn so sympathisch fand. Ich hätte es wissen
müssen. Wie konnte ich nur so dumm sein?
    Â»Verdammt!« Ich
schlage so heftig gegen die Mauer, dass ich mir die Knöchel aufreiße.
Steinsplitter und Staub rieseln zu Boden. Ich glaube, ich habe noch nie auf
irgendetwas eingeschlagen.
    Gavin hält sanft
meine Hand fest. »Hey, hey. Tu das nicht, sonst verletzt du dich noch. Das ist
doch nicht so schlimm. Sicher ist das nicht der einzige Zugang. Sie kann euch
schließlich nicht alle Fluchtwege nehmen.«
    Aus den Wunden an
meiner Hand quillt Blut. Es tut schrecklich weh, aber das ist mir egal. Ruppig
entziehe ich Gavin meine Hand. Warum muss er mich nur
ständig anfassen, wo er doch genau weiß, dass es verboten ist?
    Â»Darum geht es
nicht. Sie hat das alles geplant. Die ganze Zeit hat sie nur mit uns gespielt,
und ich bin darauf hereingefallen. Verdammt.« Mit einem gezielten Tritt
schließe ich die Tür.
    Gavin zieht
angespannt die Augenbrauen

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